Das Werk, das durch die Liberalität der Besitzer
und den künstlerischen Unternehmungsgeist
des Kunstvereins zustande kam, wird über den
Rahmen der Ausstellung noch weit hinausgehen,
denn der Frankfurter Privatbesitz enthält zahl*
reiche Meisterwerke dieser Art, die für die Aus*
Stellung nicht zu erreichen
waren, aber in dem Werke
publiziert werden. Im übri*
gen wird sich derlnhalt der
Publikation mit der Aus*
Stellung decken; sie wird
sich über die mittelalter*
liehe Plastik von der roma=
nischen Zeit bis zum Aus*
gang der Gotik erstrecken,
d. h. die Zeit vom 12. bis
zum 16. Jahrhundert um*
fassen. Der Schwerpunkt
liegt in der gotischen Kunst,
und besonderer Nachdruck
ist auf die seltenen Werke
der Frühzeit gelegt. Am
reichhaltigsten sind die
deutschen Schulen und
Meister vertreten; daneben
ist vor allem die französi«
sehe und niederländische
Plastik der Zeit berück*
sichtigt.
Die Publikation wird etwa
120 Tafeln und 200 Abbil*
düngen in vorzüglicher
Wiedergabe enthalten. Da
all diese Werke den breite*
ren Kreisen der Kunst*
freunde und zumeist sogar
dem Kenner noch unbe*
kannt sind, dürfen die
Herausgeber hoffen, durch die Veröffentlichung
allen Liebhabern und Forschern mittelalterlicher
Plastik eine Freude zu bereiten und die noch
immer in den Anfängen stehende Kenntnis dieser
unvergleichlichen Kunst nicht unbeträchtlich
zu fördern. Georg Swarzenski
WIESBADEN. Als vor etwas zwei Jahren
der Nassauische Kunstverein die Meisterwerke
deutscher Plastik in großen Photographien
zeigte, waren nur die großen Meister des
ausgehenden Mittelalters, Nikolaus von Leyen,
Riemenschneider, Stoß, Vischer, Kraft und
ihre Zeitgenossen vertreten, die Meister also,
die die Wiedergabe der Natur errungen hatten
und den Pforten der in der Renaissance wie*
der erstehenden antiken Schönheit zustrebten.
Die Frühgotik vor 1450 fehlte durchaus. Es war
daher ein sehr glücklicher
Gedanke der Vereinslei*
tung, diesmal uns diese
ältere Kunst vorzuführen
und durch Gegenüberstei*
lung der bedeutendsten mo*
dernen plastischen Erschei*
nungen zu zeigen, daß sie
trotz größerer zeitlicher
Entfernung uns innerlich
näher steht, als die von
Naturalismus und Renais*
sance erfüllte letzte Blüte*
zeit.
Große, treue Kopien der
Hauptwerke mittelalter*
licher Wandmalereien aus
Oberzell auf Reichenau,
Burgfelden, Liebenzell,
dem Braunschweiger und
Kölner Dom und einigen
anderen Kirchen nehmen
uns durch die Schönheit
und Kraft der Linienfüh*
rung gefangen und machen
die Räume leicht und frei.
Vor den Werken aus Burg*
felden fragt man sich, ob
Hodler dagegen ein Fort*
schritt sei. Unter solchen
Hintergründen stehen die
vielfach durch die Zeitstark
mitgenommenen und doch
so eindrucksvollen Proben der frühen Holz*
plastik, die, von wenigen Werken aus Mainzer
und Wiesbadener Museumsbesitz abgesehen,
alle der Sammlung eines einzigen Kunstfreundes
angehören. Ergreifend ist an diesen Jugend*
Schöpfungen unseres Volkes die schlichte Sach*
lichkeit und der strenge Formwille. Kein
Künstlername prangt an ihnen, keine Indivi*
dualität drängt sich eigenwillig hervor, sie
werden getragen von der Überzeugung und
dem Formtrieb des ganzen Volkes, das die künst*
lerische Fähigkeit des Einzelmeisters als so selbst*
VESPERBILD
Schwäbisch (?) um 1370
22
und den künstlerischen Unternehmungsgeist
des Kunstvereins zustande kam, wird über den
Rahmen der Ausstellung noch weit hinausgehen,
denn der Frankfurter Privatbesitz enthält zahl*
reiche Meisterwerke dieser Art, die für die Aus*
Stellung nicht zu erreichen
waren, aber in dem Werke
publiziert werden. Im übri*
gen wird sich derlnhalt der
Publikation mit der Aus*
Stellung decken; sie wird
sich über die mittelalter*
liehe Plastik von der roma=
nischen Zeit bis zum Aus*
gang der Gotik erstrecken,
d. h. die Zeit vom 12. bis
zum 16. Jahrhundert um*
fassen. Der Schwerpunkt
liegt in der gotischen Kunst,
und besonderer Nachdruck
ist auf die seltenen Werke
der Frühzeit gelegt. Am
reichhaltigsten sind die
deutschen Schulen und
Meister vertreten; daneben
ist vor allem die französi«
sehe und niederländische
Plastik der Zeit berück*
sichtigt.
Die Publikation wird etwa
120 Tafeln und 200 Abbil*
düngen in vorzüglicher
Wiedergabe enthalten. Da
all diese Werke den breite*
ren Kreisen der Kunst*
freunde und zumeist sogar
dem Kenner noch unbe*
kannt sind, dürfen die
Herausgeber hoffen, durch die Veröffentlichung
allen Liebhabern und Forschern mittelalterlicher
Plastik eine Freude zu bereiten und die noch
immer in den Anfängen stehende Kenntnis dieser
unvergleichlichen Kunst nicht unbeträchtlich
zu fördern. Georg Swarzenski
WIESBADEN. Als vor etwas zwei Jahren
der Nassauische Kunstverein die Meisterwerke
deutscher Plastik in großen Photographien
zeigte, waren nur die großen Meister des
ausgehenden Mittelalters, Nikolaus von Leyen,
Riemenschneider, Stoß, Vischer, Kraft und
ihre Zeitgenossen vertreten, die Meister also,
die die Wiedergabe der Natur errungen hatten
und den Pforten der in der Renaissance wie*
der erstehenden antiken Schönheit zustrebten.
Die Frühgotik vor 1450 fehlte durchaus. Es war
daher ein sehr glücklicher
Gedanke der Vereinslei*
tung, diesmal uns diese
ältere Kunst vorzuführen
und durch Gegenüberstei*
lung der bedeutendsten mo*
dernen plastischen Erschei*
nungen zu zeigen, daß sie
trotz größerer zeitlicher
Entfernung uns innerlich
näher steht, als die von
Naturalismus und Renais*
sance erfüllte letzte Blüte*
zeit.
Große, treue Kopien der
Hauptwerke mittelalter*
licher Wandmalereien aus
Oberzell auf Reichenau,
Burgfelden, Liebenzell,
dem Braunschweiger und
Kölner Dom und einigen
anderen Kirchen nehmen
uns durch die Schönheit
und Kraft der Linienfüh*
rung gefangen und machen
die Räume leicht und frei.
Vor den Werken aus Burg*
felden fragt man sich, ob
Hodler dagegen ein Fort*
schritt sei. Unter solchen
Hintergründen stehen die
vielfach durch die Zeitstark
mitgenommenen und doch
so eindrucksvollen Proben der frühen Holz*
plastik, die, von wenigen Werken aus Mainzer
und Wiesbadener Museumsbesitz abgesehen,
alle der Sammlung eines einzigen Kunstfreundes
angehören. Ergreifend ist an diesen Jugend*
Schöpfungen unseres Volkes die schlichte Sach*
lichkeit und der strenge Formwille. Kein
Künstlername prangt an ihnen, keine Indivi*
dualität drängt sich eigenwillig hervor, sie
werden getragen von der Überzeugung und
dem Formtrieb des ganzen Volkes, das die künst*
lerische Fähigkeit des Einzelmeisters als so selbst*
VESPERBILD
Schwäbisch (?) um 1370
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