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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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klagt Renand, weil er in Mode ist, doch wird
der unterrichtete Leser in der bescheidensten
und verborgensten Seite des Renand weit mehr
von der reinen Gewalt der christlichen Morgens
röte finden als in diesen hoch?
tönenden Tiraden. Es fehlt in
der jungen italienischen Lite?
ratur glücklicherweise nicht
an, wenn weniger lärmenden,
so doch inhaltsreicheren Wer*
ken.von welchen ich gern dem*
nächst berichte. Zunächst er*
schien es notwendig, diese
laute Episode, die droht, durch
Übersetzung in zwei bis drei
Sprachen auch über das Meer
und über die Alpen zu drin*
gen, zusammenfassend zu be*
schreiben. Emilio Checchi
WIEN. Nun wissen also un*
sere Freunde im Westen selbst,
was Ausverkauf heißt. Wien
wird seit drei Jahren ausver*
kauft und es ist seltsam, daß
es hier noch schöne Bilder,
alten Besitz an Schmuck und
Gerät, Sänger, Schauspieler,
Orchester gibt. Es gibt sie.
Aber die Förderer des Aus*
Verkaufs haben ihre Zeit ver*
standen und sind am Werk,
es den etwa noch schüchternen
Valuta* Reichen leichter zu
machen.
Zu diesemZ weck veranstaltete
man im September eine
Wiener Messe, und da
gleichzeitig die vorletzte Ka*
tastrophe der österreichischen
Währung hereinbrach, wurde
alles irgend »Greifbare« an
Waren und Gütern ver*
schleppt. Bemühungen um eine Musik* und
Theatermesse, die den Taumel beschönigen
sollten, hatten ein geringes Ergebnis. Eigent*
lieh dankenswert war eine dreimal wieder*
holte Aufführung der Achten Symphonie von
Gustav Mahler durch Bruno Walter. Von den
bewegenden Kräften der neuen Wiener Musik
wurde den westöstlichen Aufkäufern nichts

gezeigt. Es gibt überhaupt kaum ein neues, ja
nicht einmal ein Werk von Schönberg auf
irgend einem der umfangreichen Programme all
der zahlreichen Gesellschaften und Veranstalter
Wiens. Neue Musik ist in Ver*
einsabende, in die Schönbergs
und in den wieder auf blühen*
den Tonkünsterverein ver*
bannt. Hier wurden, und zwar
von Gertrude Foerstel, zum
erstenmal in Wien Lieder von
RudiStephan gesungen. Ein
ausgezeichneter russischerPia*
nist, Borowsky, spielte Pro*
kowiew und andere neue
Werke aus seiner Heimat. Ein
Outsider, Dr. Pleß, führte ver*
dienstvoll Scriabines Poem de
l’ecstase auf. Das war bisher
alles.
Bester alter Besitz: das ist das
Werk des nunmehr sechzig*
jährigen Malers Carl Moll,
das man uns gesammelt zeigte:
nicht nur Wiener Bauten und
Landschaften, sondern auch
die Werkgesinnung und das
starke, lebendige Können, das
die großen WienerMeister des
letzten Jahrhunderts hervor*
hob.
Ein anderer Gedenktag und
noch kostbarem Gutes: das
Vierteljahrhundert seit Bruck*
ners Tod. Aufführungen sym*
phonischerWerke unterSchalk
und Furtwängler (namentlich
dieses letzten Achte Sympho*
nie) haften im Gedächtnis.
Außer Furtwängler an bemer*
kenswerten Dirigenten Schu*
richt, erfolgreich mit dem Lied
von der Erde, Fritz Reiner, der
Schwede Niels Grevillius. Die Oper in Stock*
holm hat ihn auf ein Jahr nach Wien zum Stu*
dium entsendet.
Moissi als Ereignis eines ganzen Monats. Wiens
Freund und geistiger Bürger Gerhart Haupt*
mann, nach vielen Jahren wieder einmal. Er
las neue Werke vor (einen herrlichen Eulen*
spiegel), sprach an der Universität über die


MADONNA
TILMAN RIEMENSCHNEIDER
(Frankfurter Privatbesitz)

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