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Feuer: Monatsschrift für Kunst und künstlerische Kultur — 3.1921/​1922

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Das Flächige, die zweidimensionale Tendenz ist
stark und bewußt hervorgekehrt. Die quadra«
tisch konturierte Bildfläche wird von dem Drang
der figürlichen Elemente hin und wieder ge«
sprengt, es finden Überschneidungen statt, es
ragen figürliche Formen heraus, deren Umriß
aber bedeutend genug ist, um solche scheinbare
Willkür als gesetzmäßig erscheinen zu lassen.
O. Beyer
COURBET. Mit dem (bei Piper erschienenen)
Courbet fügt Meier«Gräfe nach dem Cezanne,
Corot, Degas seiner Geschichte der Impression
nisten ein weiteres wichtiges Kapitel ein. Cours
bets sachlicher und strenger Realismus ist bis
heute in Deutschland fremder und unverstan«
dener geblieben als die Kunst der anderen Meis
ster aus dem Kreis der impressionistischen Genes
ration. MeiersGräfe gibt in schöner und übers
zeugender Darstellung die Entwicklung dieser
Kunst, und es gelingt ihm, die so ganz unsenti«
mentale, unenthusiastische, proletarisch starke
Gestalt und ihre europäische Wirkung zu ver«
deutlichen. Man wird Courbet vielleicht nach
wie vor nicht lieben; aber man wird den Sinn
seiner Schöpfung begreifen. Ein schönes Tafels
werk (8 Lichtdrucke und 106 Netzätzungen)
ergänzt den wertvollen Text. Pfister
KLEE. Die sensible Figur des Münchener Malers
und Zeichners Paul Klee hat im Umlauf eines
Jahres in Leopold Zahn einen dritten Darsteller
gefunden. Die Tatsache mag alsSympton dafür
zeugen, wie sehr diese zarten und nervösen, in
musikalischer Atmosphäre lebenden Gebilde
als beispielhafter Ausdruck ihrer Zeit gelten.
Zahn hat zu einer Anzahl gut gewählter und
reproduzierter Abbildungen — leider fehlt eine
Probe der für Klee so wichtigen Farbigkeit —
kluge einführende Worte geschrieben, die Leben,
Art und Entwicklung des Künstlers von den
früher ironisch gegenständlichen Radierungen
bis zu den heutigen »abstrakten« Gemälden und
Zeichnungen trefflich kennzeichnen. (Das Buch
ist bei Kiepenheuer erschienen.) Pfister
GEGENWÄRTIGES ÜBER VERGAB
GENE KUNST. Unsere berechtigte Skepsis
in Fragen des geistigen Lebens unterstreicht
heute heftiger die beinahe verkümmerte Frage
»Wozu« und steigert unsere Ansprüche gegen

Darstellungen, die bloß den Vorzug wissen«
schaftlicher Unanfechtbarkeit haben. Ernst
Blochs »Geist der Utopie« und Veröffent«
lichungen aus dem George«Kreis machten uns
gegen den Zufall des augenblicklich Erreichten
und das immer utopische Glaubensziel unseres
besseren Lebens in demselben Sinne hellsehe«
risch wie die Gestaltungen eines Kokoschka
oder die Niederschriften eines Kirchner. Litten
alle Auseinandersetzungen mit Kunstfragen der
Gegenwart eher an einem Zuviel des Hinein«
getragenen und gewollt Weltanschaulichen, die
Probleme der älteren Kunst blieben mit seltenen
Ausnahmen eingeengt in Bedenklichkeiten der
Philologie und der engen Formalkritik. Alle
Anzeichen deuten darauf hin, daß die Kunst«
geschichte über die entsagenden Vorarbeiten
hinauswächst und zuweilen mit dem ernsthaften
Freund älterer Kunst Fühlung bekommt, der
vielleicht auf dem Umweg über die Liebe heu«
tiger Kunstschaffender manches Vergangene
mit neuen Augen ansieht. Das ist wohl unbe«
streitbar, daß unsere Akzentuierung im künst«
lerischen Geschehen wesentlich mitherrührt von
der instinktsicheren Parteinahme der Jüngsten,
die ohne Vorurteil und ohne Pietät gegen jahr«
hundertealte Weisheit sich plötzlich von der
Wucht des Ausdrucks in einer Würzburger
Grabplastik oder einem späten Cranach ge«
troffen fühlen.
Die vor mir liegenden Bücher haben mit Aus«
nähme der wieder aufgelegten Forschungen von
Rumohr bei der größten Verschiedenheit der
Einstellung ein Gemeinsames: Äußerst sorg«
fähig ausgewähltes und reiches Bildmaterial,
das zur Mitarbeit anregt, und einen Text, der
nicht nur an den Stoff und das Fach, sondern
ebenso an den Leser und höhere Kulturver«
pflichtungen denkt. Neben der Frage: was war?
steht stets die andere: was bedeutete es und
was bedeutet es für uns.
Die gotischen Bildwerke Schwabens von J u 1 i u s
Baum (Dr. Benno Filser 1921, Augsburg«Stutt«
gart), dem guten Kenner der schwäbischen
Kunst, sind ein Schulbeispiel für die frucht«
barste Art der gegenwärtigen Kunstschriftstel«
lerei. Baum ist nicht nur der beste Kenner dieser
Dinge, er ist gleichzeitig der ideale Führer, und
seine Leistung ist in gleich hohem Maße eine
kunstpädagogische wie kunstwissenschaftliche.
Die schwäbische Bildnerkunst vom späten 13.

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