Bloch »Schelomo« (Salomo) stärkere Persons
lichkeitswerte auf. Hier hat man wirklich eine
nationaisjüdisch gefärbte Musik allgemein
menschlichen Inhalts. Das anspruchvolle Cellos
solo fand in Marix Loewensohn, dem hervors
ragenden Solocellisten des Concertgebouws
Orchesters einen verständnisvollen Interpreten.
Von der interessanten jungen russischen Schule
ist Strawinsky hier bisher weniger bekannt; der
Schwerpunkt sei*
ner Komposition
liegt ja allerdings
mehr im Szenis
sehen, dem Poeme
danse, — eine
Kunstform, die
übrigens besons
ders in Frankreich
wieder viele neue
Blüten getrieben
hat. Symphoni»
scher in seinerMus
sik, ethischer in
seinen Zielen ist
Alexander Scria*
bine, der zu An*
fang des Krieges
im Alter von erst
43 Jahren verstör*
ben heute in Ruß*
land als der füh*
rende Meister der
jungen Schule verehrt wird. Schon im Jahre
1912 gab Willem Mengelberg mit seinem Or*
ehester und Chor in Holland verschiedene
Scriabine* Abende unter pianistischer Mitwir*
kung des Komponisten, der sein Klavierkon*
zert und die Klavierpartie im »Prometheus«
spielte, jener vielbesprochenen Symphonie
mit Chor, Orgel, Klavier und »Lichtklavier«.
In diesem Winter hörten wir eine erneute Auf*
führung von Sciabines sinnlich * bewegtem
»Poeme de 1’ Extase«. Inwieweit diese auf einem
harmonischen System aufgebaute Kunst All*
gemeingültigkeit und Dauer hat, ist heute noch
nicht zu erkennen. — Einen zeitgenössischen
russischen Komponisten J. J. Kryjanowski in*
troduzierte sein in Holland wirkender Lands’
mann Alexander Schmuller, der sein großes
faszinierendes Geigentalent stets in den Dienst
von Lebenden stellte und der vor allem als einer
der ersten und stärksten Reger*Interpreten un*
vergessen sein wird. Kryjanowskis Ballade für
Violine mit Orchester ist eindrucksvoll durch
ihre starke melodische Kraft, leidet aber an un*
genügender Plastik des orchestralen Hinter*
grundes. —
Daß neben dieser hier in einzelnen Proben an*
gedeuteten Pflege moderner Tonkunst die klas*
sischen und historisch schon scharf umrissenen
Meister der Ver*
gangenheit nicht
zu kurz kommen,
wird einem Ken*
ner des innerlich
gesunden hollän*
dischen Musik*
lebens nicht zwei*
felhaft sein. Und
zu diesen Mei*
stern gehören hier
natürlich auch
schon Mahler und
Strauß, Reger und
Debussy.
Rudolf
Mengelberg
DAS GRUND*
PROBLEM DER
RELIGIÖSEN
KUNST. In einem
Aufsatze dieses
Titels (»Feuer«, Nov.*Dez. 1921) bedauert
Reichskunstwart Dr. Redslob die heutige Ent*
fremdung zwischen Kirche und Kunst; es sei ge*
stattet auf dieses Problem vom Standpunkte des
Geistlichen selbst kurz einzugehen. Nach unserer
Überzeugung liegt die tiefere Ursache jenes
Zwiespaltes in der seit dem 16.Jahrhundert vor*
herrschenden aszetischen Bildung des Klerus,
die das seelische Erlebnis zerstückelt und sehe*
matisch schablonisiert. Erschwert wird die Syn*
these zwischen künstlerischem und religiösem
Erfassen fernerhin durch die bisher obligato*
rische Einstellung der Theologen auf das philo*
sophische System des gemäßigten Realismus des
Aristoteles. Durch denWettstreit zwischen vita*
lern und intellektuellem Moment bei der Bildung
eines gottesdienstlichen Kunstgegenstandes ge*
schah es, daß die Vitalen mehr Bedeutung auf
den praktischen Zweck legten, bei einem Kelche
LILIENKELCH HERMANN KEIL
87
lichkeitswerte auf. Hier hat man wirklich eine
nationaisjüdisch gefärbte Musik allgemein
menschlichen Inhalts. Das anspruchvolle Cellos
solo fand in Marix Loewensohn, dem hervors
ragenden Solocellisten des Concertgebouws
Orchesters einen verständnisvollen Interpreten.
Von der interessanten jungen russischen Schule
ist Strawinsky hier bisher weniger bekannt; der
Schwerpunkt sei*
ner Komposition
liegt ja allerdings
mehr im Szenis
sehen, dem Poeme
danse, — eine
Kunstform, die
übrigens besons
ders in Frankreich
wieder viele neue
Blüten getrieben
hat. Symphoni»
scher in seinerMus
sik, ethischer in
seinen Zielen ist
Alexander Scria*
bine, der zu An*
fang des Krieges
im Alter von erst
43 Jahren verstör*
ben heute in Ruß*
land als der füh*
rende Meister der
jungen Schule verehrt wird. Schon im Jahre
1912 gab Willem Mengelberg mit seinem Or*
ehester und Chor in Holland verschiedene
Scriabine* Abende unter pianistischer Mitwir*
kung des Komponisten, der sein Klavierkon*
zert und die Klavierpartie im »Prometheus«
spielte, jener vielbesprochenen Symphonie
mit Chor, Orgel, Klavier und »Lichtklavier«.
In diesem Winter hörten wir eine erneute Auf*
führung von Sciabines sinnlich * bewegtem
»Poeme de 1’ Extase«. Inwieweit diese auf einem
harmonischen System aufgebaute Kunst All*
gemeingültigkeit und Dauer hat, ist heute noch
nicht zu erkennen. — Einen zeitgenössischen
russischen Komponisten J. J. Kryjanowski in*
troduzierte sein in Holland wirkender Lands’
mann Alexander Schmuller, der sein großes
faszinierendes Geigentalent stets in den Dienst
von Lebenden stellte und der vor allem als einer
der ersten und stärksten Reger*Interpreten un*
vergessen sein wird. Kryjanowskis Ballade für
Violine mit Orchester ist eindrucksvoll durch
ihre starke melodische Kraft, leidet aber an un*
genügender Plastik des orchestralen Hinter*
grundes. —
Daß neben dieser hier in einzelnen Proben an*
gedeuteten Pflege moderner Tonkunst die klas*
sischen und historisch schon scharf umrissenen
Meister der Ver*
gangenheit nicht
zu kurz kommen,
wird einem Ken*
ner des innerlich
gesunden hollän*
dischen Musik*
lebens nicht zwei*
felhaft sein. Und
zu diesen Mei*
stern gehören hier
natürlich auch
schon Mahler und
Strauß, Reger und
Debussy.
Rudolf
Mengelberg
DAS GRUND*
PROBLEM DER
RELIGIÖSEN
KUNST. In einem
Aufsatze dieses
Titels (»Feuer«, Nov.*Dez. 1921) bedauert
Reichskunstwart Dr. Redslob die heutige Ent*
fremdung zwischen Kirche und Kunst; es sei ge*
stattet auf dieses Problem vom Standpunkte des
Geistlichen selbst kurz einzugehen. Nach unserer
Überzeugung liegt die tiefere Ursache jenes
Zwiespaltes in der seit dem 16.Jahrhundert vor*
herrschenden aszetischen Bildung des Klerus,
die das seelische Erlebnis zerstückelt und sehe*
matisch schablonisiert. Erschwert wird die Syn*
these zwischen künstlerischem und religiösem
Erfassen fernerhin durch die bisher obligato*
rische Einstellung der Theologen auf das philo*
sophische System des gemäßigten Realismus des
Aristoteles. Durch denWettstreit zwischen vita*
lern und intellektuellem Moment bei der Bildung
eines gottesdienstlichen Kunstgegenstandes ge*
schah es, daß die Vitalen mehr Bedeutung auf
den praktischen Zweck legten, bei einem Kelche
LILIENKELCH HERMANN KEIL
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