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Die Gartenkunst — 12.1910

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Hoemann, Reinhold: Erinnerungen an die Studienfahrt der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst nach England, [6]: Holland-House
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Groddeck, Georg: Heimatschutz und Naturschutz, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22776#0110

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102

DIE GARTENKUNST.

XII, 6

ist, wie in England, und nichts hindert, daß sie es
wird, so werden auch bei uns schöne Gärten wieder
entstehen, wie sie wahrscheinlich einstens schon bei
uns waren. Irgendwo fand ich in einem englischen
Buche den Spruch: I have not found in this world a
greater source of delight than to posses a beautiful
garden.

„Ich habe nichts auf dieser Welt gefunden, welches
eine größere Quelle köstlicher Befriedigung wäre, als
der Besitz eines schönen Gartens."

Die Erkenntnis der Wahrheit, welche in diesem
Satze niedergelegt ist, umschließt das ganze Geheimnis,
dem England seine schönen Gärten verdankt.

Heimatschutz und Naturschutz.

Von Dr. Groddeck, Baden-Baden.
(Schluß.)

Wir merken es alle daran, daß der Hase, den wir teuer
bezahlen, nicht so viel Fleisch hat wie eine magere Katze,
daß die Rehe geringer werden, daß die Fasanen aus purer
Faulheit taube Eier legen. Und auch hier wird es bald heißen:
Staat, schütze uns, es geht uns an den Geldbeutel.

Jawohl, es geht an den Geldbeutel, mehr als man ge-
wöhnlich ahnt. Wenn die unzufriedenen Steuerzahler wüßten,
wie viele Millionen schon zu ihrem Besten in das Meer ver-
senkt worden sind, bloß weil sie allmählich die Nordsee leer
geplündert haben, daß man jetzt mit großen Kosten künstlich
die Zucht zu heben versuchen muß?

Jawohl, der Naturschutz, der Heimatschutz, hat auch
seine materielle Seite. Die schöne Heimat ist ein Kapital,
das sich von Geschlecht zu Geschlecht fast mühelos weiter
vererben läßt, ja, das mit der Zeit immer mehr Zinsen trägt,
wie Italien beweist, in dem das Geld der ganzen Welt zu-
sammenströmt, lediglich, weil es schön ist, oder Nürnberg,
oder die Schweiz oder der Schwarzwald.

Ich erinnere nochmals an Italien, an die strengen Gesetze
die dort bestehen, um jedes Verschleppen der Kunstschätze
zu verhindern. Ich erinnere an Nürnberg, wo seit einiger
Zeit die alte Bauweise für alle Neubauten vorgeschrieben ist,
an Goslar, wo die Stadtverwaltung vor wenigen Wochen erst
eine Verordnung erlassen hat, die jedes alte Haus dort unter
den Schutz des Gesetzes stellt. Und als Gegenbeispiel möchte
ich Weimar nennen, die Stadt, in der Millionen jährlich von
fremden Gästen gelassen würden, wenn die Häuser noch so
stünden wie zu Goethes Zeit. Aber man hat den Größenwahn
dort bekommen, man hat Großstadt spielen wollen, gerade
Straßen und vierstöckige Häuser und elektrische Bahnen ge-
baut, und die kleinen Häuschen, von denen jeder Ziegel sein
Gewicht in Gold wert war, hat man abgerissen.

Ich könnte die Beispiele bis ins Unendliche häufen, die
laut und deutlich die Wahrheit verkünden, daß der Mensch
klug tut, sein Heim, seine Natur zu schützen, daß er dazu in
seinem und seines Volkes und seiner Zukunft Interesse ver-
pflichtet ist. Aber wer nicht Ohren hat, um den wahnwitzigen
Lärm unserer Zeit zu hören, wer nicht Augen hat, um die
fahrlässige Zerstörung der Schönheit zu sehen, der wird auch
nicht auf mich hören. Ich will Sie nicht mit Statistiken er-
müden, die ich ja zur Not auch ablesen könnte, will Ihnen
nicht vorerzählen, was alles von Staat und Gemeinden,
Vereinen und Einzelnen in der Richtung des Naturschutzes
geschehen ist. Aber heute liegt mir etwas anderes am Herzen,
als allgemeine Ziele und Klagen über das, was geschehen ist,
und Wünsche über das, was geschehen sollte. Hier will ich

selbst Heimatschutz treiben, und Sie alle, wenn ich es vermag,
zum tätigen Heimatschutz anfeuern.

Mit dem Schaffen der Heimat beginnt der Heimatschutz.
Aber die Stätte, auf der der Mensch geboren und erzogen
wird, ist es doch nicht, was uns zuerst vor die Seele tritt, wenn
das Wort Heimat unser Ohr trifft. Es sind Menschen, die
uns da zuerst lebendig werden, es sind die Eltern und Ge-
schwister, die Freunde und Gespielen, die der toten Heimat
Leben geben. Die Bande der Familie, der Blutsverwandtschaft
sind die festesten, die je Mensch an Mensch gekettet haben.
Seit Jahrtausenden ruht das Wesen der Dinge, ruht auch die
Heimat auf der Familie ; auf dem Verhältnis der Eltern und
Kinder. Aber steht dieser Grundstein alles Gedeihens auch
wirklich noch fest? Schauen Sie um sich und schauen Sie in
sich, wenn Sie sich nicht allzusehr vor der Antwort fürchten.
Denn Sie werden finden, daß allerlei Mächte geschäftig sind,
den Boden zu unterwühlen. Ein Glied der Familie, der Hei-
mat ist schon ganz abgesplittert, das ist die Dienerschaft, die
früher zum Heim gehörte, die am selben Tisch mit dem Herrn
des Hauses aß, die morgens und abends sich in gemeinsamer
Andacht mit dem ganzen Hause zusammenfand. Der tiefste
Grund für das Mißverhältnis zwischen Herrschaft und Diener-
schaft liegt darin, daß die Dienerschaft nicht mehr zur Familie
gehört.

Ich brauchte eben das Wort Hausherr. Wo ist der wohl
noch zu finden? Die elementare Gewalt der entfesselten Ar-
beitskräfte, der Hunger nach Erwerb und die Freude an der
eigenen Schaffenskraft haben den Mann fast ganz aus der
Familie herausgerissen. Gärtner, Ärzte, Baumeister, Lehrer
und Kaufleute, die gibt es überall, aber Väter und Gatten muß
man fast schon mit der Laterne suchen, solche wenigstens, die
mit Weib und Kind zusammenleben.

Bei allen, die nicht Genies sind — und ein Genie ist wohl
keiner unter uns, sollte der erste Zweck des Berufs sein, eine
Familie, ein Heim zu gründen, wir aber, die wir fast nie in der
Familie, im Heim weilen, sondern immer und immer arbeiten,
wir zerstören diese Familie, diesen Zweck unserer Arbeit.
Oder Verzeihung, wir sind ja hier und da zu Hause, aber leider,
dann lesen wir die Zeitung oder gähnen vor Müdigkeit unser
Weib an. Wir sind so versessen auf Arbeit und Erwerb, so
voll Angst vor Unbequemlichkeit und Not, daß wir uns nicht
einmal mehr erlauben, genug Kinder in die Welt zu setzen.
Die Verhältniszahl der Geburten sinkt von Jahr zu Jahr, ein
trauriges Zeichen für die Zukunft, ein Mahnzeichen zum
Schaffen der Heimat. Und die paar Kinderchen, die wir uns
allenfalls gestatten, überlassen wir dann der Schule und
unserem Weibe, unser Weib aber überlassen wir der Lange-
weile. Wir sprechen-wohl noch vom Vaterhaus, aber es ist
längst ein Mutterhaus geworden.

Und selbst dieses Mutterhaus wankt in allen Fugen. Die
Frau, über der Arbeit vom Manne vernachlässigt, langweilt
sich, Spinnen und Weben, Waschen, Aufspeichern und Walten
über die Vorräte, all das ist ihr genommen worden. Kinder
will sie nicht mehr haben, weil sie die Verantwortung dafür
nicht zu tragen wagt oder weil sie für ihre Figur fürchtet.
Dreiviertel ihres Lebens ist leer. Was bleibt den Frauen da
viel übrig? Sie greifen auch zum Beruf, zur Arbeit für Geld,
sie vernichten das Heim, das sie bauen sollten. Und dabei
haben sie noch die seltsame Phrase vom Recht des Kindes
erfunden, ein echtes Schlagwort, das der Vernunft und Wahr-
heit ins Gesicht schlägt.

Aller menschliche Adel ruht auf der Ehrfurcht der
Kleinen vor den Großen, und wer die Ehrfurcht der Kinder
vor den Eltern untergräbt, wie diese Verkünderinnen des Kin-
derrechts es tun, der untergräbt das Beste des Menschen, seine
erste und heiligste Religion, die Empfindung des Aufschauen-
müssens zu Vater und Mutter. Es gibt kein Recht des Kindes,
sondern nur ein Recht des Stammes, dem sich Eltern und
Kinder beugen sollen. Das Geschlecht, dem wir entsprossen
sind, ist unsere Heimat in erster Linie. Die Ehrfurcht vor
Vater und Mutter in das Kindesherz zu pflanzen, ist die erste
 
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