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N°. 44. HEIDELBERGER (834.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Ausgaben des Reineke Fuchs von Meon, Mo ne, Grimm und
Fl offm ann Fallersleben.
(Fortsetzung.)
Der französische Renart nun excellirt, wie die französischen
Fabliaux überhaupt, in dieser Kunst der heiteren Darstellung
gegen die trockenen ritterlichen Epen der Trouveres gehalten,
noch mehr, al^ das Aehnliche gegen das Aehnliche gehalten in
Deutschland; sie übertreffen das gröfsere Epos, wie die Gellert’-
schen und ähnliche Erzählungen und Fabeln den Schönaich; sie
verhalten sich aber zu der reinen Thiersage wie Lafontaine und
seine Nachahmer zu der reinen äsopischen oder der sich ihr
wieder nähernden lessingischen. Ob nun dies dem Charakter dieser
Dichtungen angemessen ist, ergiebt sich sehr leicht von selbst:
tausend Züge finden sich in dem französischen Renart, die, wenn
man an den Reinaert oder Reineke gewöhnt ist, so lästig fällen,
wie Lafontaine, wenn man die äsopische Fabel kennt. Ich will
nur Einiges anführen. In der äsopischen Fabel, wo die Erzählung,
wie Lessing vortrefflich gezeigt hat, so wenig Zweck ist, dafs sie
jede erzählte Begebenheit, sobald die Moral deutlich ist, fallen
läfst, ohne ihr Ende herheizuführen, konnte Alles dienen, wenn
nur der Zweck erreicht ward; Thiere, Töpfe, Pllanzen, Men-
schen, Alles konnte in der schönsten Gleichheit miteinander con-
versiren, auch menschliche Einsicht durfte der Dichter den Thieren
leihen, so wTeit er mochte. Das Thierepos, das in seinem Stoffe
schon materiell dem Dichter eine ganze, von unserer wirklichen
verschiedene Welt an die Hand gab, machte es nöthig, dafs der
Dichter dieses fremde Geschlecht in seinen Handlungen und sei-
nem geistigen und moralischen Treiben der wirklichen , mensch-
lichen WTelt nahe stellte, und je näher er darin die gemeine
Wahrheit traf, desto besser wrar es ; kein Dichter, der eine solche
auf blofsen Imaginationen ruhende Welt verkörpern will, kann
anders; wenn er vom Olymp, vom christlichen Himmel, von
Petrus oder Mephistopheles singt, so mufs er recht unverholen die
Menschlichkeit in jene Zustände oder Charaktere übertragen;' dies
wird immer durch den Contrast etwas Komisches hervorbringen ,
XXVII. Jahrg. 7. Heft. 44
 
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