Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

DOI Artikel:
Schulze, Otto: Ein Nachwort zur Deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0030

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
i6

INN EN-DEKORATION

zu danken. Das nimmt seiner Urheber- und Künstler-
schaft nichts, zollt dagegen seiner umsichtigen Ueber-
wachung höchstes Lob. Wie viele Phrasen inzwischen
aus der Raumkunst und den anderen Werken an-
gewandter Kunst verschwunden sind, das hat doch
Dresden klipp und klar gezeigt. Auch die Fach- und
Kunstgewerbeschulen haben daran ihren Anteil, denn
sie haben den unternehmenden Künstlern die Arbeits-
kräfte zugeführt; viele der an den letzten Ausstellungen
beteiligten Werkstätten sind Neugründungen moderner
Handwerker. Was sie technisch mitbrachten, ist den
Künstlern zum Heil geworden, was sie geschmacklich
in ihrem Material- und Werkstil gegen Künstlerschrullen
verteidigt haben, ist Immunität gegen das Verderbliche
der bloßen Stimmungskunst.

Das greift alles so in einander, daß man sich
wundern muß, dass die beteiligten Kräfte sich darüber
befehden, denn immerhin hat Semper in einer viel
böseren Zeit gelebt als die unsere ist, oder angeblich
sein soll. Seine Prolegomena wie sein ganzes Werk
sollten eigentlich gerade in den jetzt aufstrebenden
und kämpfenden Kreisen viel mehr bekannt sein, als
das der Fall ist. Seine Worte über Stil nach der
werk- und materialtechnischen Seite in ästhetischem
Sinne scheinen mir wertvoller als manches Buch eng-
lischer Autoren, mit denen man jetzt doch wohl eine
etwas übertriebene Reklame einleitet. Für den schlichten
Handwerker ist Sempers Werk allerdings nicht gerade
leicht zu lesen, es führt vielfach eine zu wissenschaftliche
Sprache. Aber jeder bildende Künstler sollte das

Lebenswerk Sempers kennen, auf diesem ruht unbedingt
das Lebensfähige und Fortbildungswerte der gesamten
modernen angewandten Kunst. Daß in dieser auch
künftig der Material- und Werkstil dominieren wird, ist
mir keine Minute zweifelhaft, wenngleich ich nicht ver-
kenne, daß diese Gestaltungsweise das eigentlich
Schöpferische des Handwerkers bleiben sollte, während
der Künstler über das rein zweckliche, material- und
werkgerechte Moment hinaus in seinen Entwürfen doch
etwas mehr an künstlerischer Idee und seelischer Be-
lebung geben müßte, als das bisher geschah. Unsere
Formensprache ist oft nicht mehr als ein Lallen gewesen
und damit das angewandte Ornament jedes Inhalts bar.
Wir brauchen gewiß keine spintisierende Symbol-
ornamentik, die nicht auch in unserer Kultur wurzelte,
des schmückenden Beiwerkes selbst können wir aber
auf die Dauer nicht gut entbehren.

Das wird umgangen, wenn die Auftraggeber dem
Künstler wie dem Handwerker sich nicht ganz willenlos
ausliefern, d. h. sich geschmacklich und zwecklich ihr
Recht des Einspruchs bei der Ausführung sichern. Nur
hinter wenigen Objekten der genannten Ausstellung
standen Besteller, die Mehrzahl der Räume war eigenste
Stimmungskunst der Entwerfenden und Ausführenden,
was ein Bekenntnis für diese ablegt, daß sie ihre Räume,
geradeso wie der Staffeleibildmaler, aus reiner Freude
am Schaffen so gestalteten. Auch das ist doch
schlechthin L'art pour fart, nicht Fart pour la vie,
demnach die außerhalb der Lebensauffassung anderer
stehende Eigenkunst. Daß dem so ist, beweist doch
 
Annotationen