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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0040

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26

INN EN-DEKORATION

ENTWURF UND AUSFUHRUNG HOF-
MÖBEL-FABRIK A. BEMBE—MAINZ.

die vorübergeht, wie sie gekommen, oder sitzt der
Grund tiefer? Da muß man zunächst daran erinnern,
daß eine Abart des modernen Stils, der sogenannte
Jugendstil, die alte Tapeziererdekoration noch immer
stark gepflegt hatte, daß aber der Jugendstil jetzt
von der Bildfläche verschwindet, weil er eben dem
reifenden Geschmack nicht stand hält. Von den
führenden Künstlern ist der Jugendstil immer aufs
äußerste bekämpft worden. Daß die Tapezierer
und Posamentierer eine Zeitlang ihm Gefolgschaft
leisteten, hat nur bewirkt, daß die besseren Künstler
sich von ihnen zurückzogen.

»Der Wohnraum, gegen den die Moderne zu
Felde zog, war das mit Dekoration überladene
Werk des Tapezierers. Man hatte zuviel dekoriert,

kein Wunder, daß da-
rauf ein Rückschlag
erfolgen mußte, daß
jetzt Einfachheit und
äußerste Schmuck-
losigkeit Trumpf ist.
Man liebt die simple
Urform beim Möbel,
den schlichten Fall der
Gardinen, die leere
Wand, eine freie lichte
Raumstimmnng! Also
das gerade Gegenteil
zu der dumpfen Mollig-
keit, die ehedem ein
Zimmer »wohnlich« er-
scheinen ließ. Können
wir etwas dagegen
tun? Das ist einmal
eine Erscheinung, die
im Empfinden unserer
Zeit begründet ist! —
Dabei haben unsere
Künstler durchaus
keine Antipathie gegen
die Posamentierkunst
als solche. O nein! Ich
kenne verschiedene,
denen es höchstes Ent-
zücken bereitet, die
wunderbaren alten
Schnur- und Knüpf-
arbeiten und die kunst-
vollen Troddeln und
Quasten in Ausstell-
ungen oder Museen zu
betrachten, die zumTeil
selber recht ansehn-
liche Sammlungen
solcher Erzeugnisse besitzen. Ja, ich behaupte,
gerade die moderne kunstgewerbliche Renaissance
ermöglicht durch ihre stete Betonung des Tech-
nischen , Konstruktiven, durch die Hochachtung
des Materials eine bessere Wertung der künst-
lerischen Schönheiten bei den Knüpf- und Flecht-
arbeiten. Während vorher die Posamenten als
Dekoration betrachtet wurden, wobei nur ihre
Gesamterscheinung zur Geltung kam, ist man jetzt
geneigt, sie als Selbstzweck anzusehen. Das heißt
nicht, sie sollen zwecklos an Fenstern und Türen
herumhängen, das geschah schon zur Genüge.
Sondern: Wir wollen sie so intim, so für sich be-
trachten wie etwa ein Gemälde oder eine Plastik.
Wir wollen die Verschlingungen des Fadens verfolgen

Entree in der Villa des Herrn Max Ibach —
Barmen. Architekt Ernst Rüting—Düsseldorf.
 
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