Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

DOI Artikel:
Widmer, Karl: Zur Entwicklung des modernen Wohnhauses
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0074

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
6o

INNEN-DEKORATION

der seine Anregungen aus allen Stilen schöpft.
Aber schließlich kommt es nicht auf die Form,
sondern auf den Geist der Behandlung an. Es
gilt eben, den Gedanken an den Charakter eines
modernen Bürgerhauses festzuhalten. Und der
liegt in einer gediegenen, alle Protzerei nach aussen
vermeidenden Natürlichkeit. Dafür gibt aber die
vornehme Schlichtheit des Biedermeierhauses ein
Vorbild von unvergleichlicher Vollkommenheit. Die
Entwicklung der modernen Wohnhausarchitektur
strebt nach einem Ausgleich zwischen der Einfach-
heit und Ruhe der strengeren Stile und der Frei-
heit der gruppierenden Bauweise. Indem sie die
Vorteile des einen mit denen des andern zu ver-
binden sucht, bald die Regelmäßigkeit, bald die
Gruppierung stärker betont, schafft sie sich die
Bewegungsfreiheit, wie sie die mannigfaltigen Be-
dürfnisse unserer heutigen Kultur verlangen. Anders
liegen die Bedingungen beim Landhaus und frei-
stehenden Einfamilienhaus, anders beim Miet- und
Etagenhaus. Unter den Beispielen historischer Bau-
kunst, mit denen unsere heutige Architektur als

den Grundlagen ihrer eigenen Entwicklung zu
rechnen hat, bietet aber das Biedermeierhaus außer-
dem den doppelten Vorzug, daß es uns zeitlich und
geistig am nächsten steht. Es verwirklicht den
letzten, noch unmittelbar in die Jugend unserer Väter
hineinragenden Trieb der historischen Tradition und
lebt als solcher noch fort im unmittelbaren Ge-
brauch der heutigen Generation. Und es bewahrt
in der bescheidenen Liebenswürdigkeit seines
künstlerischen Charakters vor der Verirrung in den
Monumentalstil, der dem Wesen unserer modernen
bürgerlichen Kultur so ganz und gar fremd ist.
Es ist bürgerlich und ist darum modern. So ist
es also nur natürlich, daß das deutsche Bürgerhaus
der Zukunft, wie in seinem Innern, so auch in
seinem Äussern immer entschiedener die Züge einer
geistigen Verwandtschaft mit der letzten Charakter-
form des deutschen Bürgerhauses annimmt, die
unserer Vergangenheit entstammt. Und zwar einer
Verwandtschaft, die dem Bauen auch den Charakter
aufprägt, wo andere Stile — mittelalterliche oder
neuzeitliche — zu Grunde gelegt werden.

PROF. BRUNO
PAUL-BERLIN.

Kredenz und
Servier- Tisch.

......

Ausführung: Vereinigte Werkstätten für Kunst im Handwerk—München.
 
Annotationen