Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

DOI Artikel:
Jaumann, Anton: Vom künstlerischen Eigentums-Recht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0118

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
104

INNEN-DEKORATION

Schutzes, das Variieren und das Kombinieren.
Man glaubt einen Ersatz für das Original-
kunstwerk erhalten zu haben, aber ein echtes
Kunstwerk lägt sich nicht durch derartige
Variationen ersegen, es ist in sich eine unlös-
liche und unwandelbare Einheit, ändert man
ein Glied, so fällt die Einheit auseinander.

Das heutige Geseg nügt also, sagen wir es offen, den
Künstlern selbst sehr wenig, sie erhalten darum nicht mehr
Aufträge, aber es hindert die Verbreitung guter Kunst, es
bewirkt, vermöge der eigentümlichen Verhältnisse in unserm
Kunstgewerbe, dag die Allgemeinheit Surrogate bekommt,
statt der echten Originale. Können wir etwas dagegen tun?
Jedenfalls darf der Schug des künstlerischen Eigentums-
rechtes in keiner Form geschmälert werden. In unserer
Zeit stellt er eine unbedingte Notwendigkeit dar. Bis aber
eine befriedigende Lösung dieser Frage gefunden ist, können
wir nur hoffen, dag wie in der Literatur, so auch in der
angewandten Kunst nach 30 Jahren die Werke der Künstler
durch billige Volksausgaben in weiteren Schichten Ver-
breitung finden, hoffentlich ist dann auch die allgemeine
Qeschmacksbildung so weit, dag man nur mehr Original-
kunstwerke begehrt. Heute ist leider der Geschmack der
Vielen noch allzusehr auf Surrogate, auf Stilvermischungen

K ICH ARU RIEMERSCUM1D-

-MUNCHEN.

Ausführung: Dresdner Werkstätten für

ohne Eigenart, ohne Charakter gerichtet. Auch hierin liegt
eine Ursache für die unsere Kunstindustrie beherrschende
Tendenz des Variierens und Kombinierens.

An die Stelle der Kirche und des Souveräns ist heute
der Staat als wichtigster Auftraggeber getreten. In ihm
herrscht das Prinzip der Majorität. Er ist also an sich
kunstfeindlich, wenigstens nicht fortschrittlich in Dingen der
Kunst. Dürfen wir uns dabei beruhigen? Nein, alle weit-
schauenderen Elemente sollten ihren ganzen Einflug auf-
bieten, um die Macht der Majorität zu brechen, um den
Staat in die Richtung der modernen Kunst zu zwingen. Der
Staat mug unsern führenden Künstlern Aufträge geben,
damit sie die Ideen gebären können, die schlieglich dem
ganzen Volke zugute kommen. Es genügt nicht, sie als
Lehrer an Kunst- und Kunstgewerbeschulen anzustellen. Die
Wirkung, die das lebendige Werk ausstrahlt, ist stets kräftiger,
als die indirekte der Belehrung.

Wertvolle Errungenschaften führender
Künstler sollen bei voller Wahrung der Eigen-
tumsrechte ihrer Erheber Gemeingut des Volkes
werden, so lautet kurz getagt das eben angedeutete
Problem. Hier steht das Begehren der Allgemein-
heit dem Rechte des Künstlers entgegen. Wir
können aber diesen Zwiespalt bis in die Seele des Künstlers
hinein verfolgen. Er ist stolz auf seine Er-
findungen, er ist eifersüchtig auf den Rivalen,
der sie ihm streitig macht, er beansprucht
sie als sein ausschliegliches Eigentum — und
ist gleichzeitig so durchdrungen von dem
Wert seiner Ideen, dag er sie allen und
jedem einpflanzen möchte, dag er den Anders-
gläubigen fanatisch bekämpft, dag er, mit
bloger Anerkennung unzufrieden, Gefolg-
schaft heischt. Hebt er damit nicht selbst
seine Eigentumsansprüche wieder auf? Er
wahrt sich vielleicht die Ehre des Urhebers
der neuen Ideen, aber um diese Ehre handelt
es sich heutzutage meist gar nicht mehr.
Vielmehr fragt es sich heute, wem sie ge-
hören, und wer das Recht hat, sie zu ver-
werten. Der Urheber einer künstlerischen
Neuerung erwirbt durch den Akt der Er-
findung ein Eigentumsrecht an ihr. Wollte
nun aber der Künstler im Ernst darauf be-
stehen, wollte er nicht dem innern Drange,
zu wirken, zu bekehren, Ideen auszustreuen
wie fruchtbaren Samen, Lehrer und Führer
zu sein, nachgeben, so würde damit vielleicht
aller Fortschritt in der Kunst unterbunden.
Fast jeder der führenden Künstler im neuen
Kunstgewerbe glaubte fürsich, den modernen
Stil geschaffen zu haben, den nun alle akzep-
tieren mügten. Sie forderten und erwarteten
Nachfolge. Wie wäre eine solche anders
möglich gewesen, als durch Übernahme ihrer
neuen Formen und Ideen?

Es ist schwer, die rechte Unterschei-
dung zu treffen zwischen berechtigter und
unberechtigter Übernahme von Formen,
zwischen autorisierter und nicht autorisierter
Nachahmung. Der Jünger ist dem Meister
willkommen, aber wie oft hat der Jünger
mehr Glück als der Meister, weig die neuen
Schränkten. ldeen vielleicht in gefälligerer Form darzu-

Handwerkskunst.

bieten, ist „geschickter" als er - und gar
 
Annotationen