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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schulze, Otto: Das Naturstudium an den Kunstgewerbe-Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0149

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INNEN-DEKORATION

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PROFESSOR FRIEDRICH PUTZER DARMSTADT.

Speise-Zimmer. (Büfettseite mit Anrichte-Raum.)

nebeneinander hergehend wie Schwestern, von denen
die eine lieblich und weich, die andere stark und kühn ist.

Wir werden hiernach nach wie vor eine rein deko-
rative Ornamentik haben, die sich der ganzen Flora und
Fauna bedient, die also gleichsam illustriert und kommen-
tiert , formsprachlich bereichert, und eine Zweckorna-
mentik symbolischer Funktion, die das Sinngemäße, das
treibende Moment der Gestaltung nicht nur unserm
Auge, sondern auch unserm Gefühl nahebringt. Kunst
an sich ist nicht Schwulst und Kompliziertheit, sondern
einfache, stille Größe, die ebenfalls, in gewissem Sinne,
natürlichen, schöpferischen Gesetzen gehorcht. Wir wer-
den, noch mehr als heute, wieder dazu kommen, uns in
unserm täglichen Gerät schlicht und natürlich, zweck-
dienlich auszudrücken, wie wir es für den eigentlich
sittlichen Kampf in der Erfüllung unserer täglichen
Lebensaufgaben bedürfen. Aber, wir werden auch nach
wie vor Feste einschalten, feiern und jubeln, und dafür
mag der Schmuck, die Dekoration, das Ornament in
erhöhtem Maße herangezogen werden.

Es scheint mir kleinlich, zu einer Mantel- oder

Gürtelschließe ein Löwenkopfmotiv, einen Schwan oder
gar das Abbild eines Polypen, das an Seeungeheuer
erinnert, hinsichtlich einer so geringfügigen Dienstleistung
für die Raffung weniger Falten, im Gürtel auch oft nur
einer proportionalen Linie, in Anspruch zu nehmen.
Welcher ungeheure Aufwand für nichts! Welche Schmuck-
oder Funktionssymbolik soll dann da platzgreifen, wo
es die Riesenseile einer Brückenspannung zu halten giltl
Wer Naturkräfte, ihre Mittel und Ausdrucksformen er-
kannt hat, schrickt davor zurück, sie mißbräuchlich zu
verplempern; er geht vielmehr sehr haushälterisch mit
ihnen um, gleichsam in ehrerbietiger Scheu vor ihnen
befangen. Man wirft uns häufig Form- und Schmuck-
armut vor; oft mit Recht, denn die Kunstformen sind
manchmal fast armselig, puritanisch; aber das ist doch
besser, als im Ornament- und Formenwucher ersticken,
in dem die Seele arbeitslos, untätig bleibt. Die Kunst-
gewerbeschulen versuchen hier den goldenen Mittelweg
zu wandeln, die Praxis gibt schon zu oder streicht ab;
die Härten sind dann nicht mehr so fühlbar.

Ich will das Naturstudium, das ich als spekulativ
 
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