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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schulze, Otto: Das Naturstudium an den Kunstgewerbe-Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0150

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INNEN-DEKORATION

bezeichnen möchte, hier noch näher kennzeichnen.
Liebevoll versenken wir uns in die regenbogenschimmernde
Pracht eines Schmetterlings, in das feine Geäder der
Netzflügel einer Libelle und holen daraus die Anregung
zu einem zart zu musternden Stoff oder für eine linien-
strenge Kunstverglasung in farbigem Glas. Nachspürend
suchen wir aus dem Brustknochen eines Vogels, oder
dem Schädel eines Fisches struktive Linien und Flächen
für eine Metallarbeit zu abstrahieren; einen Käfer in
seinem Brustschild mit den eingekapselten Beinansätzen
für eine Spange, Gürtelschließe oder Schmuckstück zu
verarbeiten; einen Tier- oder Vogelkörper zu einem
Treppenpfosten in der Symbolik des Wächters zu ge-
stalten ; Blütenformen zu Gefäßkörpern als Vorbild zu
nehmen; Pflanzentriebe zu Knäufen, Knöpfen, Griffen
überzuleiten; Pflanzenschafte als Grundelemente für
Stützen und Kandelaber zu erfassen — gerade wie die
Alten auch ; die interessante Schnabelbildung mit Hinein-
ziehung des Schädels eines Vogelkopfes in einen Stock-
oder Schirmgriff zu übersetzen. Die Muscheln und
Schnecken sind fingerzeigend für plastisches Ornament
aller Art, Quallen und Medusen für Rosetten und andere

zentrale Lösungen. Und indem wir die malerische oder
plastische Darstellung der Erscheinung naturalistischer
Gebilde für Kompositionsübungen von vornherein auf
das einfachste Maß eines charakteristischen Ausdrucks
reduzieren, oder in anderem Sinne auch steigern, ebnen
wir die Wege für die künstlerische Reduktion in abstraktem
Sinne für Funktion- oder Schmucksymbolik, Gleichgewicht,
Ebenmaß, Zweck und Gegenständlichkeit.

Oft genügt für diese Absichten schon der Bruch-
teil einer Erscheinung, Farbflecken, Flächenauswüchse,
Schnitte durch organische Gebilde, Schuppen, Maulspalten,
die Bewegungslinie eines Tieres, das Schillern des
schwimmenden Fisches, die Spur und Fährte eines Tieres,
Vogels, abgewehte Blätter und Blüten. Und aus diesen,
oft unscheinbaren, aber das Künstlerauge reizende Zu-
fälligkeiten und Flüchtigkeiten nehmen die Entwerfer ihre
Anregung, ihre Inspiration. Lebloses wird durch phan-
tasievolle Verarbeitung lebendig, aber der Rhythmus in
der Linie, in der Fleckenverteilung, in den Formen und
Massen ist ein anderer als in den Vorbildern. Wir werden
künftig keine Menschen oder Tiere mehr sehen, die
Säulen ersetzen; keine Schwäne, die über Fenster fliegen;

PROFESSOR FRIEDRICH PÜTZER — DARMSTADT.

Haus im Loss—Darmstadt. Zimmer
mit echten Biedermeier-Möbeln.
 
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