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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Vogt, Adolf: Der neue Zeichen-Unterricht und das Kunst-Gewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0162

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INN EN-DEKORATION

in den Stand setzen, Stift und Pinsel ebenso zu
führen wie das Schreibgerät, und sich der Zeich-
nung zur Wiedergabe von Dingen der Außenwelt
oder von Vorstellungen ebenso flott zu bedienen
wie der Sprache.

Dieses Ziel wird gegenwärtig schon bis zu
einem gewissen Grade erreicht. Es gelingt, die
Fähigkeit zeichnerischer Darstellung bis auf eine
durchaus genügende Stufe zu heben. Und in
wenigen Jahren werden sich die wohltätigen Folgen
dieses Umschwungs auch im praktischen Leben
bemerkbar machen. Noch mehr! Mit der Aus-
bildung im Zeichnen geht eine Schulung der
Augen Hand in Hand, sie lernen mehr sehen,
schärfer sehen, feiner sehen. Und mit solchen
mehr schärfer und feiner sehenden Augen wird
der Mensch selbstverständlich für jede Berufsart
tauglicher, ob er nun komplizierte Maschinen zu
beobachten und zu führen, Ware zu häufen oder
Menschen zu beurteilen hat. Letzten Endes kommt
freilich die Bildung des Auges doch wieder der
Kunsterziehung zugute, vor allem ist für alles
künstlerische Sehen das Mehr-, Schärfer- und
Feiner-Sehen eine unentbehrliche Vorbedingung.
Wer den neuen Zeichenunterricht genossen hat,
wird viel besser als früher in der Lage sein, die

Qualitäten einer modernen Scharffeuerglasur, eines
interessant gezeichneten Holzes zu würdigen. Alle
moderne Kunst setzt zu ihrem Verständnis ein
hochentwickeltes Sehvermögen voraus.

Die Schulung des Auges ist vielleicht das
wichtigste Ziel unseres Zeichenunterrichts; mir will
scheinen, als ob man an verschiedenen Stellen
schon anfange, es etwas aus den Augen zu ver-
lieren. Man ist auf dem Wege, der Virtuosität
der Darstellung zu viel Gewicht beizumessen,
namentlich in den oberen Klassen. Dieser Weg
führt zu den von früherher sattsam bekannten
Ausstellungsarbeiten, die dem Publikum so sehr
imponieren, auf die der Lehrer so stolz ist, und
die für die Ausbildung des Schülers doch so herz-
lich wenig Wert besitzen. Die »Zeichenlehrerkunst«
hat so ein Hinterpförtchen gefunden, auf dem sie
sich wieder einschleichen konnte. Hoffen wir, daß
da recht bald ein Riegel vorgeschoben wird. Viel
wichtiger und der Förderung der zeichnenden
Jugend zuträglicher ist es, sie sich in recht mannig-
fachen Zeichentechniken versuchen zu lassen und
ihr ein möglichst abwechslungsreiches Studien-
material an die Hand zu geben. Alles Erreich-
bare sollte in geeigneter Reihenfolge gezeichnet
werden, damit auf diese Weise auch die Kenntnis
 
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