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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Die Farbe im modernen Wohnraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0167

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INNEN-DEKORATION

153

PHILIPP SCHARFER—DARM STADT.

Treppenlösung in einem Landhause.

DIE FARBE IM MODERNEN WOHNRAUM.

VON ANTON JAUMANN.

Unser Verhältnis zur Farbe ist in den letzten Jahren
wiederholten Schwankungen und Umgestaltungen
unterworfen gewesen. Die Moderne hatte ganz neue
Farbenstimmungen im Innenraum gebracht, ja, die neue,
gesteigerte Farbigkeit hatte geradezu als ein wesentlicher
Zug der modernen Wohnkunst gegolten. Heute sind
die führenden Künstler zum allergrößten Teil von dieser
Anschauung wieder abgerückt. Die auffallenden, kühnen
Farbenzusammenstellungen begegnen uns nur mehr selten,
bei Anfängern oder Nachzüglern. Wer die letzte Dresdener
und die berühmte Darmstädter Ausstellung im Geiste
vergleicht, wird erkennen, daß die »moderne« Farbe in
den wenigen Jahren merklich an Terrain verloren hat.
Die große Darmstädter Ausstellung, das »Dokument
deutscher Kunst«, hat sich dem Gedächtnis als ein
bunter Blumenstrauß, mit allerhand exotischen Blüten,
eingeprägt; von der Erinnerung an »Dresden« läßt sich
jedenfalls sagen, daß in ihr die Farbe nicht dominiert.

Die Künstler verlegen ihre Experimente, ihre Neuland
suchenden Streifzüge fast gar nicht mehr auf das Gebiet
der Farbe, andere Ziele sind aufgetaucht.

Die Maler sind zurückgedrängt worden von
den Architekten.

Oftmals hat sich dieser Vorgang in einem und dem-
selben Künstler abgespielt: Er empfindet und erfindet
jetzt weniger als Maler, er hat umgedacht, umgelernt,

er fühlt sich mehr und mehr als Architekt. Für den
Rückgang der malerischen Tendenzen im Kunstgewerbe
ist ein rein äußeres Zeichen die Tatsache, daß jetzt die
intensiven sogenannten »modernen« Beizen in Grün,
Blau, Gelb, Violett weit seltener angewandt werden als
vor etwa fünf Jahren. In Dresden sah man vielleicht
nur mehr drei bis vier Räume in diesen Farben. Ge-
schminkt, unwahr und barbarisch erscheint uns heute,
was vor kurzem noch als höchstes Kulturraffinement galt.

Nun glaube man nicht, die Künstler hätten damals
mit ihren neuen Farben nur einen Vorstoß gemacht,
dem dann nur das Publikum nicht folgte oder nicht
folgen konnte. Gewiß waren diese Farben manchem
zu kühn, aber andere wieder wurden gerade durch die
Farbigkeit frappiert, sie war das Zeichen, an die sich
eine Gefolgschaft halten konnte. »Die befreite Farbe,
die feinste Blüte der neuen ästhetischen Kultur«, wie
hörte sich das so sieghaft-verlockend an!

Aber die Künstler zogen sich selber davon zurück.
Sie haben die Ästhetiker der Salons und die schwärme-
rische Jüngerschar der gebildeten Damen, die eben ihre
Schlagworte sich angeeignet, im Stich gelassen. Fast
scheint es, als ob der Rückzug noch weiter fortgesetzt
werden sollte, als ob die aparten »persönlichen« Formen
und Ornamente, die man in den fortgeschrittensten
Salons von Berlin W eben »liebgewonnen« hat, zurück-

1907. v. a.
 
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