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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Unser Preis-Ausschreiben: Entwürfe für Zimmerdecken in Holz oder Stuck oder Mosaik oder einem andern Material
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Michel, Willhelm: Etwas über Bilder-Rahmen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0182

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i68

INNEN-DEKORATION

PAUL MAYENFISCH—DRESDEN.

Entwurf zu einer Zimmerdecke. Lobend erwähnt.

ETWAS ÜBER BILDER-RAHMEN.

Eine Philosophie des Rahmens zu schreiben, wäre
für einen mit Wagemut und Wissen ausgerüsteten
Geist eine schöne Aufgabe. Es ergäbe sich dabei Ge-
legenheit, sowohl viel Praktisches und Nützliches zu
sagen, wie auch manchen anregenden Gedanken auszu-
sprechen. Gleichzeitig müßte eine Geschichte des Rahmens
skizziert werden, in der vielfach von der Kunst selber, vom
Geiste der verschiedenen Zeitalter, von der Entwicklung
der Kultur und des Geschmackes die Rede sein könnte.

Es müßte dabei vor allem zur Sprache kommen,
daß es Rahmen nicht bloß bei Kunstwerken gibt, sondern
auch bei den Gegenständen der Landschaft und bei be-
lebten Wesen. Das Gesicht einer schönen Frau wird
von Haaren umrahmt, und nicht umsonst haben zu allen
Zeiten die Damen ein sorgfältiges Studium darauf ver-
wandt, um festzustellen, welcher Rahmen, welche Frisur
die Vorzüge des Kunstwerkes, des Gesichtes, am besten
zur Geltung bringt. Wird ein Mensch im Rahmen eines
geöffneten Fensters oder einer Türe sichtbar, so gewinnt
seine Erscheinung an Anmut und Bedeutung. Was die
landschaftlichen Dinge angeht, so macht der berühmte
verstorbene Geograph Ratzel in seinem überaus lesens-
werten Buche »Über Naturschilderung« dazu folgende
Bemerkung: »Ich erinnere mich, daß ich den Tenno-See
in Judikarien im Vorfrühling sah, als seine Ufer kahl
waren und das Wasser zurückgetreten war; als ich ihn
dann im Sommer von einem Rahmen von grünem Rasen
und dunklen Bäumen umgeben wiedersah, gefiel er mir

besser.« Daran knüpfen sich noch eine ganze Reihe
anderer Beobachtungen, wie die, daß Wasserfälle oft
schöner durch ihre Umrahmung sind, als durch die
strömenden Wassermassen selbst, daß Flußinseln und
-Halbinseln infolge der umrahmenden Fluten einen ganz
besonderen Reiz besitzen und daher von der Ansiedlung
bevorzugt werden. Jeder wird diese Beobachtungen aus
eigenen Mitteln ergänzen können. Jeder hat schon ein-
mal wahrgenommen, daß ein Haus vor einer dunklen
Felswand oder mitten in hohen Tannen bedeutend schöner
wirkt, als wenn es allein in einer Ebene steht; daß eine
romantische Gegend, durch das Spitzbogenfenster einer
Burgruine gesehen, viel lebhafter zu unseren Sinnen
spricht, als wenn man sie von einer freien Höhe aus
betrachtet. Sieht man zwischen zwei nahestehenden
starken Baumstämmen hinaus ins Land, so wirkt das ein-
fachste landschaftliche Motiv, das im Zwischenraum
sichtbar wird, sei es auch nur ein Wiesen weg, ein Bach,
ein fernes Haus, doppelt anmutig und bedeutend. In
Parkanlagen und Wäldern werden oft im Laubwerk
Dioramen freigelegt, durch die man einen freien Turm,
eine Burgruine, ein Stadtbild mit zehnmal gesteigertem
Genuß erblickt. Kurz, auch im Landschaftsbilde spielt
der Rahmen eine außerordentlich große Rolle.

Die Frage ist, in welcher Funktion die günstige
Wirkung des Rahmens in der Natur begründet Hegt.
Ratzel ist der Ansicht, daß er begrenzt, zusammenfaßt
und daß seine ästhetische Wirksamkeit daher kommt,
 
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