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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Michel, Willhelm: Etwas über Bilder-Rahmen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0183

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INNEN-DEKORATION

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franz eunse—essen. Entwicrf zu einer Zimmerdecke. Lobend erwähnt.

daß alles Begrenzte sich dem Auge von vornherein
empfiehlt: »Was Form und Grenzen hat, so daß wir es
fest, auch mit den Augen, fassen und messen können,
befriedigt uns.« Der Rahmen würde darnach eine Unter-
stützung der Bewältigungsgier bedeuten, die der Mensch
gegenüber den Dingen der Außenwelt stets an den Tag
legt. Der Rahmen bindet und fesselt die Erscheinung
und liefert sie gleichsam wehrlos und gezähmt in unsere
Hände. Außer dieser Zusammenfassung aber leistet der
Rahmen im Landschaftsbild noch etwas anderes. Es ist
nicht gleichgültig, wie der Rahmen die Landschaft be-
grenzt. Das Landschaftsbild hat auch seine eigenen
Werte, in Linien, Massen und Farben, und es ist Auf-
gabe des Rahmens, daß er die Energie der landschaft-
lichen Komposition unterstütze. Das aber hat er mit
dem Bilderrahmen gemeinsam, und deshalb soll hier zu-
nächst von diesem die Rede sein.

Weshalb rahmen wir unsere Bilder überhaupt ein?
Käme es nur auf die Begrenzung an, so wäre dieselbe
ja beim Bilde gar nicht nötig, da dieses immer seine
Grenzen hat. Aber wir bedürfen dieses Rahmens beim
Bilde deshalb, um die Leinwand vor Berührungen und
Verletzungen zu schützen, und um die Möglichkeit zu
haben, sie an die Wand zu hängen. Wirklich nur des-
halb ? — Zweifellos spielt dieser Grund eine wichtige
Rolle. Aber auch, wenn er nicht vorhanden wäre, be-
stünde die Notwendigkeit des Einrahmens trotzdem. Ein
ungerahmtes Bild empfinden wir mit größter Deutlich-

keit als unvollständig. Es ist wie eine ungefaßte
Degenklinge, wie ein Backsteinbau ohne Bewurf. Zwar
hat mit dem letzten Pinselstrich der Künstler alles
getan, was er zu tun verpflichtet war. Wir sehen und
schätzen die künstlerischen Qualitäten des Werkes und
vermissen doch etwas, was alle seine Vorzüge erst
ins Licht treten läßt. Wir legen eine Goldleiste um
das Bild, und wie mit einem Zauberschlage beginnen
die Linien und Farben zu sprechen. Es hat den An-
schein, als ob sie aus einem Schlaf- und Dämmer-
zustand erwachten. Der kompositionelle Aufbau enthüllt
nun erst seinen Sinn. Es ist, als ob die Energie und
Federkraft der Linien im starren Rahmengefüge den
ersehnten Widerstand gefunden hätte, einen Widerstand,
der dem Auge die ihnen innenwohnende Kraft erst
deutlich macht. Auch die Farben erfahren etwas wie
eine Entschleierung. Sie ordnen sich und schließen
sich zusammen wie Soldaten bei einem plötzlichen
Alarm. Alles wird sinnvoll und gewinnt eine höhere,
organische Bedeutung. Kurz, es begibt sich eine Ver-
wandlung mit dem Gemälde, die fast etwas Mysteriöses
an sich hat, und wir sehen: Das Bild bedarf des
Rahmens nicht nur aus praktisch-mechanischen Gründen,
sondern auch aus psychologisch-ästhetischen Rücksichten.

Und dies ist auch die zweite Funktion, die der
Rahmen im Landschaftsbilde erfüllt. Er unterstützt die
»Komposition« der Landschaft, er kräftigt ihre Linien
durch den Widerstand, den er ihnen (rein optisch

1907. v. 4
 
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