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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Hillig, Hugo: Neue Dekorations-Malereien in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0243

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INNEN-DEKORATION

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mittelalterlichen gutdeutschen Augsburg nicht
fremder, als wie die italienischen Architektur-
formen Hugo Lichts und die üppigen an der Grenze
zwischen Renaissance und Barok spielenden Deko-
rationsmotive Jul. Mössels in dem modernen kauf-
männischen Leipzig fremd sind, und wenn man
Leipzig vorwirft, daß es eigentlich kein modernes,
d. h. den künstlerischen Anschauungen der Gegen-
wart entsprechendes Rathaus habe, so hätte Augs-
burg seinerzeit auch keines gehabt und hätte noch
heute keines. Aber wie steht es mit Stuttgart?
Es hat auch keins! Ein gotisches Rathaus ist
schließlich auch nicht zwingend notwendig in einer
Stadt, die in ihrer Vergangenheit so wenig gotische
Erinnerungen hatund dessen Geschichte als werdende
Großstadt vielmehr mit der Formensprache der
Zeit nach den Befreiungskriegen verknüpft ist.

Und deshalb mag man es begrüßen, daß das
Stuttgarter Rathaus im Innern recht wenig gotisch,
daß es hier im besten Sinne modern ist. Nicht
modern im Sinne des Wortes Mode, wie es auf
den 1903 erbauten Mannheimer Rosengarten zu-
treffen mag, sondern modern im Kerne der künst-
lerischen Dekorationsgedanken, soweit sie wenigstens
die Malereien betreffen. Es ist, als wenn sich der
Maler R. Haug gescheut hätte, die leichte Gotik
der Architektur im Sitzungssaale der Stadtverord-

neten noch durch eine gemalte Ornamentation zu
verstärken und er hat sich deshalb auf eine ganz
leichte landschaftliche Bemalung der beiden Stirn-
wände des gewölbten Saales beschränkt. Die Land-
schaften sind dekorative Meisterstücke. Sie domi-
nieren nicht im Raum, sondern sind, ohne jede
Staffage und ohne knüppeldicke lokale oder histo-
rische Beziehungen, einfach auf den hellen Ton der
Wand hingesetzt, schließen mit der Ecke so be-
scheiden, doch wie selbstverständlich und sicher ab,
daß man wirklich sagen kann: der Stuttgarter
Rathaussaal ist in seiner Schlichtheit besser, als
im Leipziger Rathaussaal das bunte, sinnverwirrende
und technisch berückende dekorative Potpourri in
seiner Theatermäßigkeit. Und wie hoch erhebt
sich erst die Ausmalung des Stuttgarter Rathaus-
saales über die Ansichtskartenpoesie der Malereien
im Münchener Ratskeller; ein genauer Vergleich
ist das allerdings nicht, denn die Ratskeller
in Stuttgart und Leipzig warten noch der Hand
des Malers.

Wie lange noch und dann wird auch Dresden
sein neues Rathaus erhalten. Man darf gespannt
sein, welche Aufgaben gerade das künftige Dres-
dener Rathaus den Dekorationsmalern stellen wird.
Denn gerade die Dresdener Maler, Gußmann, Rößler,
Guhr, Hartz und Kreis, den Architekten, sieht man

ARCHITEKT E. SPECHT — CHEMNITZ.

Entwurf zu einer Diele.
 
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