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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schulze, Otto: Zur Lage des Kunst-Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0261

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INNEN-DEKORATION

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WRC?

PKOF. URUNO PAUL. ZWEI KACHELÖFEN.

der im Industriegetriebe und im Großhandwerk unter-
ging, d. h. niemals oder doch nur selten als Urheber
genannt wurde; heute sind die Rollen getauscht. Ich
bin nun durchaus der Meinung, daß das auch nicht
recht ist; man sollte auf beiden Seiten gerecht
denken und jeden nennen, der nur für den Ent-
wurf oder die Ausführung zur Seite gestanden
hat. Wer Urheberschaft und Ausführung in seiner
Person vereinigt, und das wird künftig häufiger der Fall
sein, hat natürlich nach niemandem zu fragen. Das
wäre der idealste Zustand. Aber ist man auf der
andern Seite nicht lange dazu übergegangen, bei Bauten
nicht nur den Künstler, sondern auch die Techniker,
Konstrukteure, Maurermeister und Poliere dankbar als
unentbehrlicher Helfer zu nennen. Ich meine, auch
hier müßte bei leidlich gutem Willen eine befriedigende
Lösung gefunden werden können. Ich sagte an anderer
Stelle schon einmal, daß es an sich gleich sein dürfte,
wer Unternehmer ist, soweit eine wesentliche Benach-
teiligung der wirtschaftlich Schwächeren dabei nicht
eintritt. Sind nicht auch große Architektenfirmen zu
Unternehmern, ja zu Grundstückspekulanten geworden,
und gibt es nicht heute noch zahllose Unternehmer,
die mit einem an sich kargen Honorar die Künstler
ablohnen und sich dafür alle Urheberrechte aneignen!

Es hat in allem so kommen müssen, wie es ge-
kommen ist: derselbe ist nicht immer Ambos oder
Hammer, das vollzieht sich wechselweise. Man muß

Stoffen, Posamenten und Besätzen, eine
Auferstehung in der Allegorie des
Phönix erleben mögen, allerdings ohne
besondere Zugeständnisse und Be-
günstigungsklauseln. Kein Wuchern
in altem Sinne; Tod allem Angeklebten,
sich Herandrängenden, blos weil das
jeweilige Handwerk glaubt, ein Recht
auf Betätigung zu haben und
nicht die Pflicht zu achten, sich
anzupassen, sich einzuordnen;
ich sage absichtlich nicht »unterzu-
ordnen«. Handwerksleistungen, die
sich in Widerspruch zum Leben setzen,
verdienen keinerlei Rücksichtnahme.
Wollte man der Neukunst und ihren
aus ihr erwachsenden notwendigen
Folgen guter oder schlechter Äußerung
Fesseln von Gesetzes wegen anlegen,
so würde man allen Beteiligten, auch
den Frohlockenden, einen sehr schlechten
Dienst erweisen. Wissen wir doch
genau, daß viele Gesetze nicht die
Höhe der Kultur eines Volkes be-
deuten, ja daß ungeschriebene Gesetze
häufig viel mehr Segen gezeitigt haben
als geschriebene.

Ausgleich von Gegensätzen
kann nur durch freiwillige Ver-
ständigung herbeigeführt werden!
Weshalb geht heute die Verbitterung
gegen die neue Bewegung zu Gehässig-
keiten und Verdächtigungen über.
Meines Erachtens ist nur von den
Parteien der Spieß herumgedreht
worden. Früher war es der Künstler,

beides gewesen sein, um zu wissen, wie dem Schlagenden
und dem Geschlagenen zu Mute ist. Mag auch der
Kunstindustrielle und der Großhandwerker daraus seine
Lehren ziehen. Es nimmt sich an sich wenig, ob ich
den Künstler gegen festen Lohn ganz in meinen Karren
spanne, und ihn gegebenen Falles nicht nenne, was nur
in der breiten Öffentlichkeit von Belang sein kann, weil
der »Besteller« sich stets mit dem entwerfenden Zeichner
abzufinden hat, ihm also kein Fremder bleibt, oder ihn
nach Bedarf brauche und entlohne und ebenfalls die
Urheberschaft verschweige, um aus naheliegenden
Gründen die liebe Konkurrenz von ihm fernzuhalten.

Von all diesem wird aber der kleine Handwerks-
meister gar nicht berührt. Ihm kann und muß es gleich
sein, wer — möglichst ohne Zwischenhandel — sein
Auftraggeber ist. Der Laie ist leider immer noch viel
zu wenig geschult, um seine Wünsche dem Handwerker
auch nur in einer Ideenskizze klar machen zu können.
Hier muß. also, wenn der Handwerker für den Entwurf
nicht fähig ist, ein Künstler einspringen. Dann weiß
jeder von dem andern und keiner hat Ursache, seinen
Mithelfer zu verschweigen. Nun tun wir aber heute so,
als geschähe dem Kunsthandwerk etwas Ungeheuerliches
in der Bevormundung durch Künstler. War das eigent-
lich nicht schon seit jeher der Fall; haben nicht schon
Dürer, Holbein, Schinkel und viele andere für
das Handwerk gezeichnet, ja, war nicht der Architekt
seit alters her auch Unternehmer? Das stammt

AUSK. : C A. SCHUPPMANN BERLIN.
 
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