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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schulze, Otto: Zur Lage des Kunst-Handwerks
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0262

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doch nicht aus den jüngsten Tagen, daß Architekten
nicht nur Häuser entwarfen, sondern auch einrichteten,
bis zur Auswahl der Tapeten und Teppiche, wofür dann
auch 10 bis 20 °/o Honorar für Entwurf und Detail-
lierung von den Rechnungsbeträgen zu zahlen waren
oder — das kommt auch vor — der Architekt sich Ver-
mittlungsprovisionen von den Ausführenden sichern läßt.

Es wäre zu wünschen, daß die jetzt aufeinander-
platzenden Parteien wieder zu ruhigeren Erörterungen
gelangten. An sich sind auch die Zeiten für das Hand-
werk keine ungünstigen, möge es nur bei allem Ringen
nach Aufbesserung seiner wirtschaftlichen Lage nicht
das Können vergessen; sonst hätte die ganze Bewegung
keinen Wert. Es gibt tüchtige Kunsthandwerker, die
auch dem Entwurf nach Künstler sind, freie Menschen,
denen zünftelnde Kollegen, weil diesen oft Trieb und
Kraft zum eignen Emporkommen fehlen, ein Greuel
sind. Es versagt das Handwerk im Vertrauen auf
fremde Hilfe der Inzucht von Kräften in den großen
Musterfabriken gegenüber häufig. Und doch müssen
Material und Technik die Domäne des Handwerkers
bleiben. Leider geht die Kritik sehr selten darauf ein.
Ihre Vertreter suchen immer zu sehr nach Neuheiten
im Gedanken. Wir könnten jetzt sehr wohl von der
Sucht, immer durch neue Ideen aufzufallen, abgehen
und nach innerer Vertiefung streben. Ein

Früchte tragender Baum sieht anders aus als ein
blühender; er mußte viele Blüten opfern, um wenige
Früchte zur Reife zu bringen. Und dafür sind dann
noch vielerlei Dinge notwendig. Man bleibe nicht auf
halbem Wege stehen oder ziehe sich gar gekränkt zurück.
Wir sind alle von einander abhängig. Jetzt ist noch
Verständigung möglich; sie wird allen zugute
kommen! Sind denn nun aber nicht in allen unsern Nach-
barstaaten die wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen
Künstlern, Unternehmern und Ausführenden ähnliche! Um
Ruf und Gewinn des Einzelnen kann es doch nicht gehen,
wenn es gilt, das künstlerische und technische
Können der ganzen Nation zu verkörpern 1 Sind in
St. Louis Namen oder die Gesamtleistung des deutschen
Kunstgewerbes in Erinnerung geblieben! So müssen wir
auch künftig das Ganze im Auge behalten, wenn dasHand-
werk wirklich gesunden soll. Reichen wir einander
die Hände I Das möchte ich auch für die nächstjährige
große »Hessische Landes-Ausstellung« zu Darmstadt
gesagt haben. Gerade von hier aus sollten die Quellen
weiter fließen und den großen Strom speisen, der von
hier seinen Ausgang genommen hat. Wie schön wäre es,
wenn der Deutsche endlich mal lernen würde, auch in
Kultur- und Kunstfragen seinen Blick auf das
Große zu richten. Es ist doch ein kleinlicher
Kampf, den wir zur Zeit kämpfen! o. sch.
 
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