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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schölermann, Wilhelm: Ludwig Paffendorf - Cöln: Sein Wollen und Werden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0277

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INNEN-DEKORATION

263

MM—

LUDWIG PAFFENDORF—CÖLN.

Georgshof. Jos. Meynen—Arloff.

können; begleitet von einer falschen Vorstellung des
alten Werkes, falsch auch in einer parodistischen Weise,
die verabscheuungswürdigste aller Falschheit! Täuschen
wir uns nicht: das Leben des Ganzen, der Geist, der
nur durch die Hand und das Herz des Arbeiters über-
tragen wurde, kann nie wieder ins Leben zurück gerufen
werden. Ein anderer Geist kann durch eine
andere Zeit gegeben werden; doch der Geist
des toten Handwerkers kann nicht zurück
gerufen werden um andere Hände und andere
Gedanken zu bewegen. Das direkte genaue kopieren
ist überdies eine Unmöglichkeit. Wie kann man Ober-
flächen imitieren, die schon einen Zoll tief abgewittert
und abgebröckelt sind ? Die ganze Vollendung lag ja
in dieser verloren gegangenen Schicht. Eine mut-
maßliche Herstellung hat keinen Wert. In der alten
Arbeit war Leben und es bleibt noch die geheimnisvolle
Ahnung, was von ihr verloren gegangen. Etwas zartes
und liebenswertes spricht noch aus den feinen, von
Regen und Sonnenschein verwitterten Linien. In der
brutalen Härte der frischen Behauung kann kein
Leben atmen.

Laßt uns lieber garnicht von restaurieren reden.
Die Sache ist eine Lüge. Man kann das Modell von
einem Gebäude machen wie die Totenmaske von einem
Leichnam; der Abguß umschließt das alte Gemäuer wie
eine Schale. Doch der alte Bau ist zerstört, schlimmer
als ob er in Trümmer gesunken und in einen Staub-
und Lehmhügel verwandelt wäre.

Aber, fragt man, kann nicht die Notwendigkeit
des Erhaltens und Ausbesserns eintreten? Zugegeben.

Blickt dieser Notwendigkeit frei ins Gesicht und begreift
ihre Mahnung bevor sie heran naht. Ihr könnt die
Zerstörung noch lange aufhalten. Die heutige Regel ist,
erst lange Jahre die Gebäude zu vernachlässigen, um
sie hinterher zu »restaurieren«. . . . Kümmert Euch
beizeiten um Eure Denkmäler und Ihr werdet nicht
nötig haben sie wiederherzustellen! Ein paar tote Blätter
und Zweige aus einem Abflußrohr entfernt, einige Blei-
platten in Voraussicht auf ein Dach gelegt, können
Dach und Mauer vom schnellen Verfall retten. Bewacht
ein altes Werk mit ängstlicher Sorge; behütet und
betreut es um jeden Preis, zählt seine Steine wie
Edelsteine einer Krone und stellt Wachen ringsherum wie
an den gefährdeten Toren einer belagerten Stadt; bindet
die Balken mit Eisenklammern zusammen, stützt sie durch
neue Streben, schämt Euch nicht solcher unansehnlicher
Stützen. Besser eine Krücke als ein verlorenes Glied!
Tut alles das mit Umsicht, ehrfurchtsvoll, ausdauernd
und noch manches Geschlecht wird unter seinem
Schatten erblühen, wandeln und wieder vergehen. Sein
letzter Tag, sein Fall muß kommen; aber laßt ihn
offen und unzweifelhaft sein, damit keine Entwürdigung
oder falsche Herstellung dessen, was nicht zu
ersetzen ist, des Gebäudes Würde rauben und
die letzten Totenehren weigern, die ihm
Erinnerung erweisen kann«.*) Diese Worte wurden
schon wiederholt bei Gelegenheit der Restaurierungs-
versuche am Heidelberger Schlosse, am Wiener Stephans-

■*) Aus der VI. Betrachtung: »Der Leuchter der Er-
innerung« § 18 und 19 ff. in »Seven lamps of architecture«.
 
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