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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schölermann, Wilhelm: Ludwig Paffendorf - Cöln: Sein Wollen und Werden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0278

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INNEN-DEKORATION

dorn (im »Ver Sacrum« als Eingabe an das österreichische
Ministerium für Kultus und Unterricht) zitiert. Möchten
sie jetzt in den maßgebenden Kreisen beherzigt werden!

Nicht wir »Modernen«, oder sagen wir lieber:
die im Geiste unsier Zeit Arbeitenden sind Schuld an
dieser Begriffsveiwiriung, sondern der Unverstand der
Halbbildung mit ihrem mißverstandenem Verlangen
nach »Stileinheit und Stilreinheit«, hat die charaktervolle
Schönheit der allen Werke mit »stilgerechtem« Eifer
verunziert, oder so äußerlich nachgeahmt, daß die
Kopie in neun von zehn Fällen zu einer Parodie
werden mußte.

Vom ersten keimenden Formempfmden an müssen
wir Architekturschöpfungen auf ihren lebendigen Gehalt
hin prüfen; da finden wir die reichste Ausbeute in
den mittelalterlichen Stilen und in der deutschen
Bauernkunst.*) Auch die Barockzeit hat in Ver-
bindung mit der Landschaft manches Treffliche geleistet,
das Lebenskraft genug enthält, im Geiste einer neuen
Entfaltung baukünstlerischer Regsamkeit erfaßt und
erweitert zu werden. Dem sogenannten »modernen
Barock« soll damit nicht ein Loblied angestimmt werden
(ebensowenig wie dem »Jugendstil«) mit seinem Orna-
mentenschwulst und überschwenglichen Sinnlosigkeiten.
Paffendorf wünscht, wie wir, daß das unbewußt stil-

*) Vergl. »Das Bauernhaus in Schleswig-Holstein«>
von Willielm Schölermann (Verlag W. Spemann, aus dem Goldenen
Buch vom Eigenen Heim«).

bildende Element der älteren Meister auch in der
Gegenwart wieder Allgemeingut werden möge. Sein
eigner Entwicklungsgang zeigt etwas ungewollt Natürliches
in dieser Richtung, indem ihm Aufgaben gestellt wurden,
welche die obigen Grundsätze in die Praxis übertrugen
durch ein Anschmiegen an gegebene Verhältnisse.
In dieser Anpassung besteht allerdings ein
besonderes, modernes Element, ein scharfer Unter-
schied zwischen unserm Wesen und dem der Raum-
künstler verflossener Epochen. Die allerfeinsten Nüan-
cierungen kannten diese Zeiten nicht und das Eingehen
auf diese Feinnervigkeit kann als ein Sonderrecht
unsrer Gegenwart und Zukunft gelten.

Das Sagenreiche Cöln, mit seinen katholischen, mittel-
alterlichen Domen und Denkmälern, seinem ehemaligen
Mauerring und dickwandigen, von Schießscharten durch-
brochenen Befestigungstürmen, befruchtete die knaben-
hafte Phantasie in frühen Kinderspielen schon ungewollt
in der hier gekennzeichneten Richtung. Die malerischen
Rheindörfer, die stolzen, romantischen Burgen waren
das Ausflugsziel des heranwachsenden Schülers. Später
der Niederrhein und das benachbarte Holland mit seinen,
von keiner falschen Kulturtünche angekränkelten Städchen.
Alle diese Eindrücke kräftigten den Sinn für das
Natürliche, traulich-gemütliche der Stilarten im nieder-
deutschen Norden. Taine sagt in seiner »Philosophie
der Kunst«, daß das Kunstwerk bestimmt werde »durch
eine Gesamtheit, welche der allgemeine Zustand des
 
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