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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Über technische Schönheit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0329

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INNEN-DEKORATION

3i5

Der Umstand, daß die
Maschine in allen ihren
Teilen rein auf die Zweck-
mäßigkeit hin konstruiert
ist, bildet also kein Hin-
dernis für ihre Schönheit.
Wahrscheinlich fehlt es nur
an der Erziehung unseres
Auges, wenn sie uns nicht
»gefällt«, wenn wir sie
nicht »genießen« können,
wie ein Bild oder eine
Statue. Allein, nachdem
wir uns allmählich mit den
einfachen, schmucklosen,
nur durch die Konstruktion
wirkenden Erzeugnissen des
modernen Kunstgewerbes
befreundet haben, ist wohl
zu hoffen, daß wir auch
der maschinellen Schönheit
nicht mehr allzulange ab-
lehnend gegenüberstehen
werden. — Den ersten
Schritt müssen freilich wir
tun. Die Maschine ist stolz
und von solch absoluter
Aufrichtigkeit, daß sie jede
Konzession verschmäht.
Muß aber nicht gerade
diese Wahrhaftigkeit, dieser
Mut zu vornehmer Ent-
sagung »gefallen«? Wir
hassen heute den falschen
Prunk, die glänzende Imi-
tation. Die Einfachheit,
Echtheit, Solidität gelten

uns im Kunstgewerbe als grundlegende, künst-
lerische Werte. Diese Achtung wäre aber
unsererseits nicht echt und wahrhaftig, wenn wir
das Einfache, Echte, Solide nicht auch da aner-
kennen, wo es in absoluter Reinheit und Strenge
auftritt. Wir fordern im Kunstgewerbe Zweck-
mäßigkeit. Die Maschine ist wiederum die reinste
Verkörperung dieses Prinzips. Sie duldet nichts
an sich, was nicht irgend einem Zwecke dient.
Kein Teil ist anders, kein Teil ist mehr vorhanden,
als die verlangte Leistung unbedingt erfordert.
Und jedes Glied bekommt genau soviel Masse,
soviel Ausdehnung, soviel Spielraum, als nötig.
Die Gebundenheit, Strenge und »freiwillige Armut«
scheinen vielleicht manchem echte Schönheit aus-
zuschließen. Und doch bewirkt eben dieser Puris-
mus, daß das eigentümliche Leben der Maschine,

RUNGE UND SCOTLAND-
Schnelldampfer

BREMEN. Schlaf-Raum einer Luxus-Kabine.

^Kronprinzessin Cecilie*, Norddeutscher Lloyd—Bremen.

ihre kraftvolle und sinnvolle Tätigkeit, wahrnehm-
bar und fühlbar zutage treten kann. Ohne Ver-
schleierung, ohne Verkleidung liegen die Formen
da, sie existieren nur für die Arbeit und erzählen
nur von einem Leben der Arbeit, der Anstrengung
und der Pflichterfüllung.

So will die Maschine betrachtet sein. Nicht
mit dem Maßstab absoluter Schönheit, mit der
Forderung idealer Harmonie, mit der Sehnsucht
nach zarten Farbenharmonien. Sie zeigt eine harte,
rauhe Formen weit, aber eine Welt voller Kraft
und Leben. Wie der Unterbau schwer und un-
verrückbar auf dem Boden wuchtet, wie der
Rahmen seine Arme energisch und kühn ausstreckt,
hier fest und sicher eine Welle tragend, dort des
Hammers Fall parierend, wie durch tausend
Schrauben und Nieten und Klammern die Teile
 
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