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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schaukal, Richard: Der Salon: Eine Kultur-psychologische Glosse
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0364

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35°

INNEN-DEKORATION

ENTWURF U. AUSFÜHRG.: HOF-MÖBEL-
FABRIK J. GLÜCKERT—DARMSTADT.

XVI., sondern »Empire« oder »Direktoire« her-
stellt, vermeint man, diese letzten historischen
Epochen hätten den Salon »an sich« besessen.
Der Irrtum ist ein Fehler in der Perspektive.

Zunächst unterscheide man zwischen dem
»Empire«, dem aus »klassischen« Ressentiments,
speziell römischen Reminiscenzen, eklektisch gewor-
denen napoleonischen Prachtgeschmack, und dem
vorzüglich deutschtümlichen »Biedermeier«-Stil einer
fast um ein Menschenalter jüngeren Periode. Es
ist sehr richtig, daß die künstlerische Heimaus-
stattungs-Bewegung an den Biedermeier-Ton an-
knüpft: es ist der Punkt, wo die organische bürger-
liche Tradition abgerissen wurde. Alles was
zwischen Biedermeier und der >Moderne« liegt, ist
Wirrwarr. Mit dem Auftreten des Fabrikanten-
tums als »Stand« beginnt der krasse Unfug, der im

IVerfolgden »Salon«desKlein-
bürger-Wohnungsschemas ge-
zeugt hat. Die Biedermeier-
vvohnung hatte an Rang ein-
ander gleichgestellte Stuben.
Das Kanapee, die Kommode,
der Rundspiegel, alles kehrt
in allen Räumen wieder. (Man
vergegenwärtige sich die Häus-
lichkeit der Goethe, Schwind,
Bauernfeld, um klar zu sehen.)
Dieser Epoche ist keineswegs
das Postulat des Gesellschafts-
Pferchs bekannt. Man bewegt
sich geselligfrei in mehreren
relativ kleinen Stuben. Erst
die mit der falschen Konven-
tion und dem Geldbeutel
rational (nicht rationell) kom-
binierende und kompromittie-
rende unorganische Häuslich-
keit des entwurzelten oder
überhaupt ahnenlosen Bour-
geois (der mit dem »Bürger«
von damals nichts gemein hat)
hat das dürre Schema erfun-
den, das seither allüberall ge-
werkelt wird. Die Miethäuser,
diese Zerstörer der intimen
Häuslichkeit, brachten es in
rasenden Schwung. Denn der
Unterschied zwischen früher
und jetzt ist, scharf gefallt,
darin zu suchen, daß man
einst vom Gewerbe zum Haus-
stand, d. i. im weiteren Verlauf
zum eignen f/äuschen trachtete,
während man jetzt (nämlich seit mehr als 50 Jahren)
gedankenlos mit dem von Wohnungsvers,cn\e\&em
Gebotenen vorlieb nimmt. Diese »Hausbesitzer«
aber (sehr unähnlich den Patriziern von anno dazu-
mal, die aus der Bezeichnung noch keinen »Beruf«
gemacht hatten) füllen ihren Rahmen bis zum Zer-
springen mit dem unelastischen Klischee der
Mittelstandswohnung, darin als Hauptstück der
»Salon« fungiert. Und Tapezierer und mechanische
Tischlereien bieten dem überkommenen »Bedürf-
nisse« einer immer wieder aus dem Chaos empor-
gewirbelten »Bildungs«klasse ihre Ausstattungs-
nummern.

Symptomatisch ist der bürgerliche »Salon«,
denn er bezeichnet gravierend den Hauptmangel
des beherrschenden Bevölkerungs-Elements: Indi-
vidualität. Nur die Individualität, das ist die

Salon im Hause G. H. Strauss—-
Darmstadt. Grau Ahorn poliert.
 
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