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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schaukal, Richard: Der Salon: Eine Kultur-psychologische Glosse
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0363

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INNEN-DEKORATION

349

JVohn-Zimmer im Hause Schröder—Krefeld. Gelbbraun
Kirschbaum-Holz ; Wand-Bespannung matt-blau.

Bewegung und Bewegungsfreiheit, die bürgerlichen
Kreisen von vornherein nicht ansteht. Es ist im Grund
eine Raumfrage. Man wandelt in Salons umher, man
sitzt nicht anders denn auf kurze Zeitfristen gelegent-
lich nieder. Diese Art von Geselligkeit kennt das
bürgerliche Haus nicht. Wozu also den völlig zu-
sammenhanglosen Prunkraum ?

Das Absurdeste aber an der Sache ist der »his-
torische« Charakter dieser Schaustube. Die Salons der
großen Häuser tragen historischen Charakter, weil sie
historisch sind, d. h. wie das Gebäude, ist seine Ein-
richtung in ihren wesentlichen Zügen Erbstück. Es
stände alten Palästen und Schlössern schlecht an, sich
nach bürgerlichem Zuschnitt zu verjüngen. Aber eher
noch läßt sich eine solche organische Evolution recht-
fertigen als das nicht einmal als Parvenütum lächelnd
zu tolerierende sinnlose Pfropfen, wie es die Anglie-
derung eines Salons an den Körper der bürgerlichen
Bedürfniswohnung vorstellt.

Das Rokokoboudoir der Maitresse hat Sinn, denn
seine Insassin ist selbst ein Stück »Historie«, ein Luxus-

objekt, und wie man den Papagei im
stereotypen Messinggestänge verwahrt,
wird die nur als Typus, keineswegs als
ein Individuum, nach dessen Namen man
fragt, existenzberechtigte Femme entre-
tenue in einem Milieu behaust, das ihrem
Charakter (nach generalisierender An-
schauung) gemäß ist.

Stil ist Gemäßheit, wechselseitiges
Tragen und Getragenwerden, Einheit.

Die bürgerliche Wohnung jedoch, die
an einen Speise-, einen Schlafraum, eine
Küche samt Dienstboten-Kammer den
»Salon« schweißt, ist eine Stillosigkeit,
atmet Barbarei.

Ich habe die Tatsache des »Salons«
als symptomatisch bezeichnet für unsre
kulturverlassene Zeit. Es ist die Epoche
des heraufgestiegenen und sich alsbald
auch breit hinlagernden Bürgertums, die
der »Salon« kennzeichnet. Die Wohnung
noch der zwanziger und dreißiger Jahre des
vorigen Jahrhunderts kennt ihn nicht, denn
man irrt, wenn man die jener wunderbar
harmonischen Häuslichkeit wesentlichen
Stilelemente als Salonmotive anspricht.
Weil man heute den Salon (zumeist) nicht
mehr im Geschmack Louis XV. oder

ENTW. U. AUSF.: HOF-MÖBELFABRIK J. GLÜCKERT-DARMSTADT.
Kamin-Partie aus obigem Wohn-Zimmer.
 
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