INNEN-DEKORATION
383
ZU DEN ABBILDUNGEN AUF DEN
SEITEN 382-387.
Das Herrenzimmer von Kieser und Deeg ist
als Übergangsprodukt bemerkenswert. Es
erinnert in manchen Einzelheiten an das be-
rühmte »altdeutsche« Zimmer, das wir in den
siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts be-
kamen. Die Zinnen und Dachformen, die man
in romantischer Schwärmerei von den mittelalter-
lichen Burgen entlehnte, um Türen, Schränke
und Ofen damit zu schmücken, sind hier noch,
wenn auch in knappster Andeutung, vorhanden.
Aber sie vermischen sich in eigenartiger Weise
mit modernen Elementen. Die klare Gliederung
der Wand mit der strengen Simslinie und den
rationellen Schrankeinbauten, die einfache, ge-
sunde Konstruktion von Tischen und Stühlen
verraten ein durch keine Romantik mehr getrübtes
sicheres Empfinden.
Zweifellos gibt es heute recht viele, die
die neuen technischen und praktischen Prinzipien
im Kunstgewerbe vollauf anerkennen, von der
angewöhnten schummerigen Traulichkeit und
»Gemütlichkeit« ihrer altdeutschen Zimmer aber
nicht lassen wollen. Ihnen kommen solche Kom-
promisse sehr erwünscht. Genau genommen sind
aber für den Reiz und die Stimmung des Raumes
diese Zinnen und Türmchen ganz unwesentlich,
sie könnten ohne Schaden für den Gesamtein-
druck wegbleiben oder doch durch weniger
»zweideutige« Schmuckstücke ersetzt werden.
Zum altdeutschen Zimmer gehörten un-
umgänglich die irdenen Teller und Krüge, die
Zinnkannen und die — Geweihe. Diese Re-
quisiten können da, wo der Bewohner wirklich
Jagdfreund und Sammler ist, natürlich ruhig mit
übernommen werden. Sie ergeben dann unge-
zwungen den schönsten Zimmerschmuck. Freilich,
meist wurden diese Geweihe nur ad hoc beim
Geweihhändler und die Raritäten beim Trödler
gekauft, und dieses mangelnde innere Ver-
hältnis zwischen Bewohner und Ausstattung des
Raumes erzeugte dann ein unangenehmes Ge-
fühl von Kulissenputz, von Unwahrhaftigkeit. —
Was für das Zimmer der Jagdliebhaber die
Geweihe, bedeuten für den Laden die Waren:
die natürlichsten, selbstverständlichsten Schmuck-
stücke. Das ist ein Punkt, auf den wir erst in
letzter Zeit wieder achten gelernt haben: daß
die Ware sich selbst am besten empfiehlt. Ihre
guten Qualitäten, ins rechte Licht gerückt, sind
ihr Schmuck genug. Im Laden muß die Ware
das erste Wort führen 1 Zum charakteristischen
HERREN-ZIMMER. ENTWURF: KIESER U. DEEG—M
AUSFÜHRUNG: A. OBERMAYER, MÖBEL-FABRIK
UNCHEN.
PASSAU.
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ZU DEN ABBILDUNGEN AUF DEN
SEITEN 382-387.
Das Herrenzimmer von Kieser und Deeg ist
als Übergangsprodukt bemerkenswert. Es
erinnert in manchen Einzelheiten an das be-
rühmte »altdeutsche« Zimmer, das wir in den
siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts be-
kamen. Die Zinnen und Dachformen, die man
in romantischer Schwärmerei von den mittelalter-
lichen Burgen entlehnte, um Türen, Schränke
und Ofen damit zu schmücken, sind hier noch,
wenn auch in knappster Andeutung, vorhanden.
Aber sie vermischen sich in eigenartiger Weise
mit modernen Elementen. Die klare Gliederung
der Wand mit der strengen Simslinie und den
rationellen Schrankeinbauten, die einfache, ge-
sunde Konstruktion von Tischen und Stühlen
verraten ein durch keine Romantik mehr getrübtes
sicheres Empfinden.
Zweifellos gibt es heute recht viele, die
die neuen technischen und praktischen Prinzipien
im Kunstgewerbe vollauf anerkennen, von der
angewöhnten schummerigen Traulichkeit und
»Gemütlichkeit« ihrer altdeutschen Zimmer aber
nicht lassen wollen. Ihnen kommen solche Kom-
promisse sehr erwünscht. Genau genommen sind
aber für den Reiz und die Stimmung des Raumes
diese Zinnen und Türmchen ganz unwesentlich,
sie könnten ohne Schaden für den Gesamtein-
druck wegbleiben oder doch durch weniger
»zweideutige« Schmuckstücke ersetzt werden.
Zum altdeutschen Zimmer gehörten un-
umgänglich die irdenen Teller und Krüge, die
Zinnkannen und die — Geweihe. Diese Re-
quisiten können da, wo der Bewohner wirklich
Jagdfreund und Sammler ist, natürlich ruhig mit
übernommen werden. Sie ergeben dann unge-
zwungen den schönsten Zimmerschmuck. Freilich,
meist wurden diese Geweihe nur ad hoc beim
Geweihhändler und die Raritäten beim Trödler
gekauft, und dieses mangelnde innere Ver-
hältnis zwischen Bewohner und Ausstattung des
Raumes erzeugte dann ein unangenehmes Ge-
fühl von Kulissenputz, von Unwahrhaftigkeit. —
Was für das Zimmer der Jagdliebhaber die
Geweihe, bedeuten für den Laden die Waren:
die natürlichsten, selbstverständlichsten Schmuck-
stücke. Das ist ein Punkt, auf den wir erst in
letzter Zeit wieder achten gelernt haben: daß
die Ware sich selbst am besten empfiehlt. Ihre
guten Qualitäten, ins rechte Licht gerückt, sind
ihr Schmuck genug. Im Laden muß die Ware
das erste Wort führen 1 Zum charakteristischen
HERREN-ZIMMER. ENTWURF: KIESER U. DEEG—M
AUSFÜHRUNG: A. OBERMAYER, MÖBEL-FABRIK
UNCHEN.
PASSAU.