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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Widmer, Karl: Über künstlerischen Schmuck des Wohnraums
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0400

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386

INN EN-DEKORATION

ARCHITEKT MAX LANDSBERG-KERLIN.

Zigarren-Laden. Abteilung für Wiederverkaufet-.

Über künstlerischen Schmuck des Wohnraums.

Zunächst soll zwar der Raum an sich ein Kunstwerk
sein. Und schmücken soll alles, was der Raum
enthält: jedes Möbel, jedes Gerät. Ein Fenster, ein
Schrank, ein Kamin ist das natürlichste Ornament einer
Wand. Was hier versäumt und verdorben wird, kann
durch keinen Aufwand von Bildern, Statuen und kunst-
gewerblichen Luxus zugedeckt werden.

Aber so alt wie das Wohnen selbst, so alt ist
auch das Bedürfnis des Menschen nach eigentlichem
Schmuck für seine Wohnung. Im letzten Grund ist
doch die Kunst nicht für die Wände und Glasschränke
der Museen, sondern für das Innere bewohnter Häuser
entstanden. Und wie das Kunstwerk erst als Schmuck
des Raums seine eigentliche Bedeutung erhält, so emp-
fängt auch der Wohnraum seine rechte Weihe erst
durch ein, wenn auch noch so bescheidenes Stück
Kunst, wenn die Kunst nur echt ist, und sei es eine
alte Silhouette aus der Großvaterzeit. Es wird selten
sein, daß wir in einem Zimmer ohne ein Bild an der
Wand nichts vermissen. Es fehlt uns die Äußerung
eines persönlichen Verhältnisses des Besitzers zu seinem
Wohnraum, die sich nun einmal in der Freude an
einem Kunstwerk, mit dem er ihn schmückt, viel im-
pulsiver kundgibt, als in dem größten Raffinement des
Geschmacks, wenn sich dieser Geschmack nur in der
Wahl der Möbel oder Tapeten äußert. Gewiß ist die

Einfachheit die Blüte des Geschmacks. Aber Einfach-
heit und Nüchternheit ist darum noch nicht dasselbe.
In gewissem Sinn auf die Spitze getrieben, führt das
Prinzip der reinen Zweckmäßigkeit zur Negation der
Kunst. Hier hat das Goethe'sche: »Süß ist jede Ver-
schwendung« eine viel größere Berechtigung.

Wenn also moderne Raumkünstler, wie z. B. die
Wiener, die Bilder am liebsten ganz von den Wänden
verbannen, so heißt es auch hier: Eines schickt sich
nicht für alle. Die Wiener können sich das leisten,
bei denen jede Kleinigkeit der Raum-Ausstattung selbst,
vom Tisch und Schrank bis zum Nähkörbchen und
Schlüsselgriff, den Stempel exquisiter Handwerkskunst
trägt. In einem solchen Milieu, wo alles von höchster,
persönlichster Kultur des Geschmacks getränkt ist, kann
man die Bilder leicht entbehren.

Aber die Handwerkskunst ist heute ein Luxus
geworden. Mit der Maschinenarbeit ist ein Stück un-
persönlicher Nüchternheit in unsere Wohnräume ein-
gezogen, die bleiben wird, mag sich auch im übrigen
der Geschmack noch so sehr heben. Die Art von
Zauber, die uns aus alten Bürger- und Bauernstuben,
aus Küchen des 17. und 18. Jahrhunderts anmutet, ist
aus unsern heutigen Wohnräumen entflohen auf Nimmer-
wiedersehen. Dort war eben jeder Stuhl, jeder Leuchter,
jeder Zinnteller und Steinkrug ein Individuum. Heute
 
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