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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0020

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I. Die Schachtgräber und der Plattenring

Freilich kamen dabei die Angaben über die Verteilung der einzelnen Gegen-
stände im Grabe betrüblich zu kurz, vor allem bei den ersten drei geöffneten
Grüften, I, III, IV l). Nur selten wird die Fundstelle erwähnt, meist reihen sich
die Beschreibungen eintönig aneinander: „Ich fand ferner" oder so ähnlich. Im
Verlauf der Grabung wird aber Schliemann immer mehr Herr der Lage, bei Grab II
und V können wir nach seiner Schilderung die Anordnung der Beigaben in wesent-
lichen Zügen wiederherstellen. Wie wichtig dies für den Bestattungsbrauch ist,
liegt auf der Hand (vgl. unten Kapitel 4). Zusammenfassend darf man sagen, daß
über den Schätzen der Schachtgräber von Mykenai ein gütigeres Geschick gewaltet
hat, als es in jener für die Ausgrabungstechnik fast prähistorischen Periode zu er-
warten wäre.

Nachdem Schliemann Mykenai verlassen hatte, ist die Untersuchung des Grä-
berrundes durch Stamatakis von November 1877 bis Ende März 1878 fortge-
setzt worden (IlQamiKa 1877, 24 f. 1878, 16). Dabei fand er ein VI. Grab, dessen
Inhalt, im Athener Nationalmuseum der ursprünglichen Anordnung entsprechend
aufgestellt, eine lebendigere Anschauung gewährt als Schliemanns Schätze. Indessen
sind auch hier die Beobachtungen des Entdeckers keineswegs so minutiös, daß
eine wirkliche Wiederherstellung des Tatbestandes möglich wäre, um so weniger,
als auch diese Gruft natürlich eingestürzt war und die Fundstücke z.T. zertrümmert
unter Schutt und Kieseln lagen2). Auch das jüngst von Wace entdeckte kleine Grab
(BSA. XXV 55 ff., unten S. 28) erweitert unsere Kenntnis mykenischer Bestat-
tungsbräuche nicht. Wir bleiben in allem Wesentlichen auf Schliemann angewiesen.

Dieser hat auch in der Veröffentlichung seiner Schätze für seine Zeit
Großes geleistet. Ein Jahr nach dem Abschluß der Grabung waren alle irgendwie
wesentlichen Stücke photographiert und danach umgezeichnete, allerdings oft recht
geringe Holzschnitte hergestellt. In dem 1878 erschienenen Bande M y k e n a e
(Leipzig, Brockhaus) entfallen auf diese Funde mehr als 250 Abbildungen. Natür-
lich läßt vieles zu wünschen übrig; aber wer diese Bilder mit unseren Tafeln ver-
gleicht, wird immer wieder staunen, wie viel Schliemann schon geboten hat. Und
da im gleichen Jahre die Keramik der Schachtgräber durch Adolf Furtwängler
und Georg Loeschcke eine Publikation erlebte, die Jahrzehnte lang unerreicht
blieb (Mykenische Thongefäße, Berlin, Asher 1878), ist es den Schachtgräbern
wesentlich besser ergangen als allzuvielen Fundmassen neuerer Ausgrabungen.

Freilich hat nach 1878 die Forschung hier in überraschender Weise gestockt.
Man sollte denken, daß die im Athener Museum allgemein zugänglichen myke-
nischen Schätze die Aufmerksamkeit der Archäologen in weit höherem Maße auf
sich gezogen hätten, als dies geschehen ist. Natürlich sind sie immer wieder er-

1) Schliemann beziffert diese Gräber mit II, III, IV. Wir folgen der allgemein üblichen Zählung des Museums;
unsere II, V, entsprechen Schliemanns V und I.

-) Aus den leider bis heute unveröffentlichten Berichten von Stamatakis hat der auf mykenischem Gebiet bahn-
brechende Chrestos Tsuntas ein paar Stellen in seinem Werke Muxfjvai xai 6 uuxqva'ixoi; jtoXmouöq (Athen 1893)
abgedruckt.
 
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