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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0026

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I. Die Scha ehtgräber und der Plattenring

sammen außerhalb der damaligen Burg angelegt, westlich unterhalb des Haupt-
weges, der zu ihr emporführte. Ob auch noch ein Pfad zwischen den Gräbern in
Windungen verlief, können wir nicht mehr feststellen, so wahrscheinlich es ist
(vgl. S. 29); wie wir denn überhaupt von Befestigung und Bebauung der Burg in
jener Zeit nichts wissen. Wir müssen uns bescheiden, nur die großartigen Anlagen
der jungmykenischen Zeit zu kennen. Es läßt sich nicht einmal sagen, ob diese
später so stolze Feste vor dem XIV. Jahrhundert einen steinernen Mauerring be-
sessen hat.

Um so mehr wächst die Bedeutung der Schachtgräber. Sie sind in Wahrheit
fast die einzigen Zeugen der ältesten hohen Kulturblüte des Fest-
landes im XVI. Jahrhundert. Ihre Anlage ist freilich einfach genug: es sind
Gruben unregelmäßiger Gestalt, ohne irgend eine erkennbare Ordnung am Abhang
flach verteilt, klein oder groß, seicht oder tief, j e nachdem es die Zahl der Leichen oder
die Pracht ihrer Ausstattung erforderte (Taf. IV). Die Wände sind mit Luftmauern
aus kleinen unbehauenen oder kaum behauenen, einst mit hellem Lehm verbundenen
Steinen verkleidet1). Diese bestehen nur zum kleinsten Teile aus dem gewöhnlichen
Burgkalk, in überwiegender Masse aus einem noch härteren, hellgrauen Kalkstein
mit schwarzen Adern, der in unregelmäßigen Blöcken, und einem schiefergrauen,
der in Platten bricht. Auch wirklicher Schiefer kommt vor. Als Füllsel dienen
allerhand kleine Brocken und Platten. Diese Mauern trugen offenbar die Decke
des Grabes. Aber von den „Schistplatten", die Schliemann (Mykenae S. 334) im
II. Grabe fand, und die offenbar von einer solchen Decke stammten, ist heute nichts
mehr übrig. Sie lagen natürlich auf einem Balkengerüst. Aus dem III. Grabe sind
auch noch vier kupferne Verkleidungskästen der Balkenköpfe mit starken Nägeln
erhalten (Nr. 147 ff. Taf. CLXV). Diese sorgsame Deckenkonstruktion war einer-
seits durch die Größe der Grüfte notwendig geworden, anderseits durch die in
mindestens einem Falle (Grab VI) nachweisbaren Nachbestattungen, die ein nicht
allzu schwieriges Öffnen der Gruft erforderten. Aus demselben Grunde wird man
sich auch die Lehmdecke über den Steinplatten nicht stark zu denken haben2).
Und dies wird durch Schliemanns Funde von Steinplatten in geringer Höhe über
den Gräbern I, III, IV, V (Abb. 5) vollauf bestätigt. Diese müssen zu Grabdenk-
mälern gehört haben, ebenso wie die später auf höherem Niveau neu errichteten
Reliefstelen (unten S. 22,29). Auch darin bieten die Schachtgräber etwas vollständig
Neues: weder auf dem Festlande noch auf Kreta läßt sich vorher irgendeine Form
von Denkmälern oder sonstigen Wahrzeichen über Gräbern nachweisen.

Dagegen waren, im Gegensatz zu frühminoischen Grüften von Mochlos oder der
Messarä, die mykenischen Schachtgräber keine frei zugänglichen Kammern. Auch

i) Das Vorkommen des Lehms betont Schliemann mehrfach. Heiitc ist an den größtenteils modern wieder aufge-
bauten Mauern davon wenig mehr zu sehen.

) Nach dem Einsturz der Decken lag diese Lehmschicht über den Leichen und Beigaben, wie das Scbliemann richtig
beobachtet hat, wenn er auch den Zusammenhang nicht verstand. Klarheit hat hier, wie so oft, Wilhelm Dörpfeld
geschaffen. Vgl. Schuchhardt, Schliemauns Ausgrabungen 18811.
 
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