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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0036

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28

F. Die Schachtgräber

und der Plattenring

verfolgen. Wace hat dies in vortrefflicher Weise getan und, wie mir scheint, seine
Auffassung erfolgreich gegen die Einwände von Evans verteidigt1). Man darf auch
nicht vergessen, daß in der Argolis der monumentale Rundbau von Tiryns (Kurt
Müller, Tiryns III Kap. 18, mit der schönen Zeichnung Sulzes auf Taf. 5) einen freilich
sehr viel älteren Vorläufer bildet. Aus den Raumgedanken der großen Kuppelgräber
heraus kann man jedenfalls den Plattenring sehr viel besser verstehen als aus irgend-
welchen kretischen Bauten; um so leichter, da er sich jetzt als jenen gleichzeitig er-
weist. Als man ihn anlegte, hatte man sich in Mykenai längst gewöhnt, den Kult der
neuen, der „Kuppelgräber-Dynastie" in diesen gewaltigen Gewölben zu pflegen. Da
es nun galt, auch dem Kult der alten Dynastengräber eine würdigere Stätte zu schaf-
fen, wählte man hier ebenfalls die Kreisform, über der sich, statt einer steinernen
Kuppel, der Himmel wölbte: in ihrer Art eine nicht unebenbürtige Raumgestaltung.

Der Plattenring ist so eng um die alten Schächte gezogen, daß er einen von
ihnen (VI) sogar überschneidet. Das von Wace neugefundene Grab im Norden blieb
draußen und war wohl gar keine fürstliche Gruft. Sonst hätte man kaum zuge-
lassen, daß ein Haus darüber errichtet wurde. Daß dagegen der von der großen
neuen Burgmauer umschlossene Raum außerhalb des Königsfriedhofs der Bebau-
ung freigegeben wurde, ist leicht verständlich. Die Häuser im Süden („Ramp
House", „House of the Warrior Vase" bei Wace) und der Speicherbau im Norden
(„Granary") nehmen ganz deutlich auf das Gräberrund Rücksicht und lehnen sich
eng an die Burgmauer an. Ich habe früher aus irreführenden, nicht ganz freige-
legten Mauerresten falsche Schlüsse gezogen. Die englischen Grabungen haben das
richtig gestellt. Jene Häuser sind sämtlich jünger als Gräberrund und
Burgmauer. Einzelne ältere Mauerstücke gehören nicht dazu.

Die Häuser gehören noch in die späte Blütezeit mykenischer Kultur. Sie
scheinen deren Zusammenbruch z. T. noch um ein Weniges überdauert zu haben.
In viel höherem Maße gilt dies für den alten Königsfriedhof, an dem noch heilige
Scheu, vielleicht, wie in mehreren Kuppelgräbern — vor allem Menidi — auch
Heroenkult bis in historische Zeiten haftete. Die Grabstelen, welche Schliemann
noch aufrecht fand, haben die Jahrhunderte als Wahrzeichen der alten Heroen-
grüfte überdauert. Als der Schutt sie allmählich zum größten Teile begrub, mögen
ihre oberen Ränder abgeschlagen worden sein, so daß keine unversehrt auf uns ge-
kommen ist. Die unmittelbare Umgebung des Gräberrundes aber blieb mehr als
ein Jahrtausend lang fast unverändert. Hellenische und hellenistische Mauerstücke
beweisen, daß der schmale Gang zwischen Burg und Stützmauer noch in der Spät-
zeit zugänglich war. Und sogar nach der endgültigen Zerstörung von Mykenai
scheint man Pausanias den altheiligen, noch nicht ganz entheiligten Raum gezeigt
zu haben, ohne freilich mehr von den Fürstengräbern in der Tiefe etwas zu ahnen
— uns zum Heile, da ihre Schätze so erhalten blieben.

') Wace, BSA. XXV 282*ff. Taf. 44—61; Evans, Journ. Hell. Stud. XLV 1925, 45 ff. 263 ff., dazu Wace, ebda. XLVI
1926, 110 ff.; Droop, Liverpool Annais XIII 1926, 43 ff.
 
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