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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0038

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30

J. Die Schachtg r ä J) e r u n d der Plattenring

vor allem aber Wolf gang Reichel (Eranos Vindobonensis 1893, 24 ff.). Nach
neuen Aufnahmen sind die Hauptstücke abgebildet bei Kurt Müller, Arch.
Jahrb. XXX 1915, 286 ff., der auch das kunstgeschichtliche Problem dieser Reliefs
eindringend gefördert hat. Endlich hat W. A. Heurtley der ganzen Gattung eine
erneute, in allem Wesentlichen abschließende Untersuchung gewidmet (BSA XXV
126—146, Taf. XIX—XXI).

Sechs Reliefstelen sind fast ganz oder zum größeren Teile erhalten; dazu
kommen 26 Bruchstücke, davon 10 mit Resten figürlicher Darstellungen, die sich
auf mindestens 5 Stelen verteilen lassen. Die Schachtgräber enthielten 9 Männer
und 8 Frauen, sowie 2 Säuglinge. Schuchhardt nimmt an, daß nur die Männer
durch Reliefstelen ausgezeichnet wurden, während man den Frauen glatte Steine
errichtete. Dem widerspricht jedoch die Gesamtzahl von 11 Reliefstelen, wenn
nicht etwa in zwei Fällen beschädigte Steine durch neue ersetzt worden sind.
Heurtley will dagegen, ohne Rücksicht auf das Geschlecht der Leichen, die Reliefs
auf die Gräber II, IV, V, VI verteilen, die zusammen 11 erwachsene Tote ent-
hielten. Dabei ergibt sich eine überzählige glatte Stele über Grab IV, die er einer
Reparatur zuschreibt, wenig wahrscheinlich, wie mir scheint. Denkbar wäre es
auch, die beiden überzähligen Reliefplatten den kleinen Kindern von Grab IV zu-
zuschreiben; deren Geschlecht kennen wir zwar nicht, indessen könnte die erhal-
tene Maske (Taf. LIII) auf mindestens einen Knaben schließen lassen. Denn die
Frauen trugen keine Masken. Eine sichere Entscheidung ist nicht möglich — lei-
der, denn es wäre wichtig festzustellen, ob in Mykenai bloß den männlichen An-
gehörigen des Fürstenhauses Reliefstelen aufs Grab gestellt wurden, im Gegensatz
zu der so auffallend bevorzugten Stellung der Frau in der minoischen Kultur. Das
würde der eben erwähnten Verwendung der Goldmasken entsprechen; und beides,
Masken wie Grabsteine, sind Sonderformen von Mykenai, Kreta ebenso fremd wie
den anderen bisher erforschten Stätten mykenischer Kultur1).

Die Reliefstelen bestehen in ihrer überwiegenden Zahl aus demselben Süß-
wasserkalkstein wie der Plattenring: auch sie sind im Bruche fast weiß, an der
Oberfläche durch eingewaschene Erde gelbbraun gefärbt. Nur bei drei Platten ist
ein feinkörniger, graurötlicher Porös verwendet, und diese unterscheiden sich,
gewiß nicht zufällig, auch in Technik und Stil von den anderen, die eine einheit-
lich geschlossene Gruppe bilden. Die Betrachtung geht daher zweckmäßig von
dieser aus. Einzelbeschreibungen s. unten Nr. 1427ff.

Die Höhe der Stelen läßt sich leider fast nie mehr bestimmen, weil oben stets
ein Stück fehlt (vgl. S. 28), und nur von Nr. 1429 durch einen glücklichen Zufall
ein Fragment mit dem oberen Rande bei den englischen Ausgrabungen zutage
gekommen ist. Es ergibt sich hier ein schlankes Format, das auch bei Nr. 1430

-1) Allerdings muii betont werden, dali wir reiche Gräber der Sehachtgräberzeit von diesen Stätten nicht besitzen.
Die Kuppelgräber brauchten keine Stelen als Wahrzeichen. Die eigenartigen, spätmykenischen Grabsteine von Ialysos,
Annuario d. R. Scuola archeol. di Atene VI/VIT 1923/24, 208, gehören nicht hierher,
 
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