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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0248

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240

III. Ergebnisse

Form von 855, CXXXIV etwas plump in Stein übersetzt (vgl. auch das Tongefäß
945, CLXXV); endlich das Gußgefäß 829, CXXXVII, mit goldenem, in mehreren,
flachen Ringen profiliertem Mündungsrande. Zu diesem Gefäß hat Stais die Hen-
kelverkleidungen aus Goldblech wiedergefunden; der Ausguß, den wir uns aus
vergoldeter Bronze zu denken haben, bleibt leider verloren, sein dreieckiger Um-
riß ist rings um das runde Loch in der Alabasterwandung deutlich erkennbar. Die-
ser eigenartige, fürs Minoische charakteristische Gefäßtypus ist schon im Neolithi-
schen vorgebildet (Evans II 11 Abb. 3x), entwickelt sich im|Laufe des FM. zu immer
strafferem Profil (Maraghiannis, Antiqu. cret. II 24), nimmt im MM. I—II mit
Vorliebe kugelige oder breit eiförmige Gestalt an (Evans I 244 Abb. 186. 264
Abb. 197. 268 Abb. 199; daneben noch vereinzelt eine ans Neolithische erinnernde
flache Form, I 231 Taf. I), wächst gegen Ende des MM. wieder mehr in die Höhe
(I 255 ff. Abb. 191 f. II 436 Abb. 253 — hier auch eine verwandte, einhenklige
Form in Ton und Bronze), und erhält sich so noch ins SM. II hinein, wo er aber bald
verschwindet (Maraghiannis, a. a. 0. 28. 37. 41; Boyd-Hawes, Gournia Taf. VIII f.).
In Metall ist mir nur die eben erwähnte Variante bekannt, in Stein eine kleine
Gruppe eingelegter Stücke aus Knossos, eine sehr plumpe Sonderform gleicher
Herkunft (Evans I 413 Abb. 297. II 821 Abb. 537 N) und unser Exemplar, welches
das kostbarste erhaltene Beispiel der Form darstellt. Die Henkel aus dünnem
Blattgold stehen in merkwürdigem Gegensatz zu der vortrefflichen Ausführung des
Mündungsrandes. Es scheint, daß ein kretisches Originalgefäß in Mykenai beschä-
digt und minderwertig ausgebessert worden ist. Dafür könnten auch die beiden
Paare von Stift- oder Klammerlöchern jederseits des Ausgußloches sprechen.

Als rein kretisches Erzeugnis darf auch der merkwürdige Alabasterlöf-
fel 164, CXXXIX gelten. Er gehört zu einer Gruppe steinerner und tönerner
Löffel, deren kultische Bedeutung wir erkennen, ohne sie näher deuten zu können.
Tönerne Exemplare mit verschieden langen Stielen gibt es schon im kretischen
Neolithikum. Der stiellose Typus reicht in seinen frühesten Beispielen bis in den
Beginn des FM. hinauf (Evans I 57 Abb. 16. 624 Abb. 460. II 439 Abb. 256) und
erhält sich durch das ganze MM. hindurch (Evans I 624 f. Abb. 461 f.; St. Xanthou-
dides, 'E(f.dQ%. 1909, 179 ff.; Nilsson, Minoan-mycenaean Religion 104 ff.). Gegen-
über der geläufigen, dreieckig blattähnlichen Form wirkt unser Exemplar sehr
originell; es besteht aus zwei aneinandergelegten, hohlen Händen, gewissermaßen
der Abkürzung einer mit vorgestreckten Händen Opfer darbringenden Menschen-
gestalt1), und verleiht dadurch seiner kultischen Bedeutung besonders drastischen
Ausdruck. Andere Beispiele dieser Form sind mir nicht bekannt.

Zwei schlanke Alabasterbecher5) oder besser -kelche aus Grab IV

*) Vgl. ägyptische Löffel in Gestalt liegender oder schwimmender Frauen, z. B. Schäfer, Aeg. Kunst 390 vgl. 342.

J) Ein ganz gleiches Exemplar Nat. Mus. Nr. 3964 (Thera), aus Alabaster. Nr. 4710 (Kythera) besteht aus Bein.
Das Fürstengrab von Mideia hat einen reliefgeschmückten Silberbecher derselben Form und den Fuß eines zweiten ge-
liefert (Persson, a. a. O. 33. 51 f. Taf. 17).
 
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