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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0263

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9. Die Tongefäße

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sicher zur ersten Bestattung von Grab VI; sie kann dem Rhyton 221 aus Grab II
nicht gleichzeitig sein, wenn auch der iVbstand kaum mehr als ein paar Jahrzehnte
zu betragen braucht.

Anders die vorzügliche große Kanne 945, CLXXV. Auch sie ist minoisch in
der Form, ohne aber in ihren Verhältnissen und Profilen genau den echt kretischen
Stücken zu entsprechen1): also wiederum eine festländische Nachahmung, aber
diesmal eine getreue. Das äußert sich auch in den Ornamenten, die sauber ge-
zeichnet und mit umsichtigem Geschick auf Schulter und Leib verteilt sind, übrigens
ebenfalls Festländischem näher stehen als Kretischem. Ich glaube, daß diese Kanne
zur zweiten Bestattung von Grab VI gehört. Bleiben vier Gefäße derselben Gruft,
die ziemlich sicher in der Argolis ent-
standen, aber nicht näher datierbar
sind. Der zweihenklige Becher 955,
CLXXV ist eine recht minderwertige
Nachahmung minyscher Vorbilder,
ohne jeden kretischen Einschlag2).
Der Krater 949, CLXXIV verbindet
den schwarzgrauen minyschen Ton
mit einer aus dem Minoischen über-
nommenen, aber ganz frei umgestal-
teten Form. Denn unter den zahllosen
bauchigen Gußgefäßen verwandter
Gestalt, die, im Frühminoischen vor-
gebildet, seit MM. I zu den beliebte-
sten Typen der Kamares-Keramik
gehören3), kenne ich kein einziges,

das unserem Exemplar gliche, sei es im froni, sei es in aen rroporuonen oaer
dem wiederum an Minysches gemahnenden, senkrechten Bandhenkel4). Und ähn-
lich steht es mit dem Becher 953, CLXXIII: Technik, Ton und Farbe gleichen
den üblichen mattbemalten Vasen der Argolis, eine ähnliche Form ist auf Kreta
geläufig, vor allem im MM. (z. B. Palaikastro Exav. Taf. 4.16); auch die sonderbar
saloppen Muster (Abb. 101 nach Myk.Thong.XI 54) gemahnen eher an Minoisches
als an festländische Mattmalerei. Der Töpfer hat zwischen Einheimischem und
Fremdem seinen Weg noch nicht recht gefunden. Dagegen vertritt der kleine

Vgl. z. B. Evans I 557 Abb. 404 f. 570 Abb. 415. 596 Taf. 7. Zu den Mustern II 486 und unten S. 285.

2) Vgl. z. B. W. Vollgraff, BCH. 30, 1906, 9 ff.; E. J. Forsdyke, JHS. XXXIV 1914, 130 ff.; V. G. Childe,
JHS. XXXV 1915, 197.

3) Vgl. z.B. Evans II 215 Taf. 9f. 1 257 Abb. 192. Suppl. PI. IV; BSA.XIX Taf. 4 ff. 9ff. Das Alabastergefäß 829
hat dagegen die typische Form des SM. I, nur in besonders schlanker Profilierung. Breiter, den MM. Tongefäfien fast
gleich, Evans, Prehist. Tombs Taf. 99.

4) Ein dem unseren fast genau entsprechendes Stück aus Tiryns (Inst. Phot. Tir. 756) läßt sich nach den Fund-
umständen leider nicht genauer datieren.

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