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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0308

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300

III. Ergebnisse

Fang wilder Stiere. Waren den an Krieg und gefährlichen Jagden sich ergötzenden
festländischen Fürsten jene Spiele nicht ernst genug?

Unter den jagdbaren Tieren erscheint einmal das Agrimi, die kretische
W i 1 d z i e g e'), auf der vortrefflichen Goldnadel 245, XVIII. Oben S. 173 ist ge-
sagt, daß sie zur festländischen Männertracht gehört. Die Übernahme des kreti-
schen Tieres als Schmuck kann jedoch in dieser Zeit stärksten minoischen Einflus-
ses nicht Wunder nehmen. Vielleicht gab es auch damals solche Wildziegen auf dem
Festland, während sie jetzt nur noch in den unzugänglichsten Gebirgen Kretas
angetroffen werden sollen. Um welche bestimmte Gattung es sich bei den Gazellen
und Antilopen der Dolchklinge 394, XCIII und der Goldbleche 808 ff., CXLIII
handelt, vermag ich nicht zu sagen; auf jener ist die Bewegung der angstvoll flüch-
tenden, scheuen, schlanken Tiere meisterhaft wiedergegeben.

Der Hirsch erscheint auf den echten minoisch-mykenischen Darstellungen
stets mit breitem Schauflergeweih und, wo dies wahrnehmbar ist, mit geflecktem
Leibe: Stele 1427, VII, Goldring 240, Gemme 117, XXIV; Wappenpaare auf Gold-
blechen 45/6, XXVI. Es ist das im minoischen Kreise allein auftretende Dam-
wild, vgl. oben S.1903)- Nur das schwere, plumpe Gefäß 388, CXVf., hethitischer
Herkunft, ist als E d e 1 h i r s c h gebildet (oben S. 94). Es entstammt wohl unmit-
telbaren Beziehungen der mykenischen Herren zu Kleinasien, nicht dem kreti-
schen Orienthandel, der eben aus Anlaß sumerischer Gefäße erwähnt wurde. Unser
Hirsch ist gar kein Rhyton, ihm fehlt das Ausgußloch im Maule; ähnliche Tiervasen
sind im hethitischen Bereich seit den uralten Schichten von Kültepe beliebt (Ed.
Meyer, Reich und Kultur der Chetiter Taf. 5) und bleiben es bis in die griechische
Spätzeit3); auf Kreta dagegen scheint Ähnliches nicht vorzukommen.

Der Hirsch auf dem Goldring ist nicht eben glücklich in den ovalen Bildraum
gesetzt, nach oben verschoben (von primitiver Perspektive ist hier keine Rede),
aber der schwere Leib auf den schlanken Läufen, das Zurückwenden des Kopfes,
offenbar nach einer Wunde, der wippende kleine Wedel sind vorzüglich wieder-
gegeben. Sehr gut ist, trotz der mäßigen Qualität des Amethysten 117, die Bewe-
gung der Hindin getroffen, die zu dem säugenden Jungen zurück- und herabschaut.
Das Motiv könnte für das Rund einer Gemme geschaffen sein. Wir kennen es von
der säugenden Kuh aus den Temple Repositories (Evans I 511 f. Abb. 367. 369)
und anderen minoischen Darstellungen. Vgl. auch oben S. 192. Dagegen sind Jagd-
bilder wie die unseren bisher auf Kreta ebensowenig belegt wie das Fahren im
Wagen in älterer Zeit.

') Oben S. 75 fälschlich Steinbock genannt. Vgl. BSA. IX 20 Abb. 9; A. Trevor-Battye, Camping in Crete 121.
226; Lorenz-Liburnau, Die Wildziegen der griechischen Inseln (1889, mir nicht zugänglich); Evans I 197 Abb. 145.
275 Abb. 204.

a) Eine Ausnahme bildet der Kopf eines Edelhirsches auf der Gemme Evans I 275 Abb. 204 q.
3) Funde von Samsun-Amisos am Pontus: H. de Genouillac, C6ramique cappadocienne I 64 ff. II Taf. 13. Evans
II 658 f. datiert diese Vasen um ein Jahrtausend zu früh.
 
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