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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0314

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306

III. Ergebnisse

möchte ich nach dem Parallelismus dieser Funde mit den goldenen Kultbauten 26,
XXVII = 242 — 4 XVIII sie doch als Amulette deuten. Dagegen haben die beiden
tönernen Idole 204/5, CL nichts mit den Schachtgräbern zu tun. Sie stammen aus
dem Schutt über Grab I und gehören zu der bekannten jungmykenischen, in Haus-
ruinen und Gräbern gleich häufigen Gattung.

Künstlerisch ist über die besprochenen Frauenbildchen kaum etwas zu sagen;
sie sind lokale Dutzendware, vielleicht bloß fürs Grab gemacht.

Dagegen ist die große Silbernadel mit goldenem Zierat 75, XXX eine vor-
treffliche Arbeit. Aus dem einheitlich glockenförmigen Rock (zu dessen Musterung
man das knossische Fayencefigürchen Evans II 702 Abb. 440 vergleichen mag)
wächst die üppige Gestalt der Göttin wie eine volle Blume empor, und die Haltung
der Arme bildet mit den Girlanden unter ihnen, dem Baldachin von Zweigen und
Blüten darüber, ein ungemein harmonisch abgewogenes Bild. Wenn auch Valentin
Müller, Ath. Mitt. XXXXIII 1918, 154 ff. hethitische Analogien zu dieser Figur
nachgewiesen hat, bleibt sie stilistisch ein rein minoisches, in den Schachtgräbern
durchaus vereinzeltes Werk.

Ganz anders steht es mit den Männerdarstellungen. Hier besitzen
wir eine ganze Reihe ausgezeichneter Kunstwerke. Schon die Kriegerköpfe des
Fayencekännchens 123/4, XXIII und S. 61 Abb. 16 sind sorgsame, feine Arbeiten.
Und vollends den auf Taf. XXIV vereinigten kleinen Meisterstücken (33. 35. 116.
240/1), der Dolchklinge 394, XCIV, den Silbergefäßen 481, CXX Abb. 35 ff.
83 ff. und 605, CXXIX—XXXI läßt sich wenig Ebenbürtiges an die Seite stellen.
Auch die Grabstelen zeigen, trotz aller Unbeholfenheit der Ausführung, in ihrer
Komposition und in der Bewegung der Figuren deutlich den Nachklang ähnlich
vorzüglicher Vorbilder: Taf. V. VI. VII. X S. 33 Abb. 121).

Nur zwei Vorwürfe sind diesen kühnen, streitbaren Fürsten genehm: Jagd
und Krieg. Von den friedlichen Landschaftsbildern, den pomphaften Aufzügen
und Kultszenen, den Stierspielen und Agonen, welche den Kretern gefielen, ist
hier keine Spur. Auf dem Rennwagen") verfolgt der Fürst das flüchtige Wild (240),
den fliehenden oder verzweifelt sich wehrenden Feind (1428/9, V/VI), oder er
treibt sein Gespann über des Gegners Leiche hinweg (1427, VII). Zu Fuß nimmt
er es mit dem Löwen auf, im heroischen Einzelkampf (33) oder bei der Treib-
jagd (394). Zu Fuß kämpft er auch allein, mit dem langen Schwert, gegen einen
oder mehrere Feinde (35. 116. 241). Dabei ergeben sich eine Fülle verschieden-
artiger Bewegungsmotive, die einzeln aufzuzählen mehr ermüdend als belehrend
wäre. Besonders gut ist den Künstlern das heftige Vorstürmen gelungen, bei dem

*) Für Einzelhelten verweise ich auf die Beschreibungen in Teil II, für Tracht und Bewaffnung auf die Erörte-
rungen oben S. 173 ff. 194 f.

2) Die umsichtigen Ausführungen von E. v. Mercklin, Der Rennwagen in Griechenland 1 ff. sind durch neue
Funde ergänzt, aber nicht verändert oder gar widerlegt worden. Vgl. Rodenwaldt, Tiryns II 102 f.; Fries des Megarons
von Mykenai 24. 41 ff.; Wace, BSA. XXV 254 Taf. XXVI f.
 
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