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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0315

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13. Darstellungen von Menschen

307

alle Kraft sich auf den Schwertarm zu vereinigen scheint, und anderseits das
matte Zurück- und Vornübersinken der Besiegten, Verwundeten, auch der jähe
Sturz des Gefallenen auf der Dolchklinge. Die Zertrümmerung des großen Silber-
gefäßes 605 ist vor allem deshalb so beklagenswert, weil hier einmal in einem
Friese eine ganze Anzahl großer Figuren, einzeln und paarweise, einander zu- und
abgewandt, siegreich und unterliegend dargestellt waren: nicht bloß ein auf den
Fürsten zugespitzter Ausschnitt, sondern eine richtige Schlacht, wie es scheint
zwischen gleichartigen Kämpfern. Denn, soweit die traurige Erhaltung einen
Schluß zuläßt, handelt es sich um lauter minoische Krieger oder etwa um ein Rin-
gen mykenischer Krieger gegen minoische. Uberhaupt zeigen auf allen diesen
Darstellungen (bis auf das Silberrhyton 481) sämtliche Gestalten den minoischen
Idealtypus mit sehr schlanken Gliedern, Wespentaille, wenigen, starken Muskel-
angaben an Brust und Armen; dieselben heftigen, oft fast verrenkt anmutenden
Bewegungen, dieselbe Tracht und Bewaffnung, die uns von Kreta her bekannt
sind; auch denselben Mangel an tektonischem Aufbau der Gestalt von innen, vom
Knochengerüst her, der einem Griechen gewiß mißfallen hätte. Dafür ist die Ein-
dringlichkeit der Formen- und Bewegungssprache aufs höchste gesteigert und der
minoische Rassetypus überall offenbar — mit alleiniger Ausnahme des Silberrhy-
tons, wo der Kampf minoisch-mykenischer Eroberer gegen ein Barbarenvolk und
seine Stadt geschildert war. Diese nackten, bloß mit Schleudern bewaffneten Leute,
deren Anführer allein steife, fremdartige Mäntel tragen, bekunden im Gesicht wie
in dem struppigen Haar deutlich eine andere Rasse (S. 107 Abb. 36). Sie sehen
etwas gedrungener, weniger hoch gezüchtet aus als die Gestalten minoischer Prä-
gung. Auch hier hat uns die Zerstörung einen üblen Streich gespielt; wenigstens
verraten uns noch die kleinen Reste der Angreifer, daß diese zur See kamen und
mykenische Helme trugen. Es kann kaum zweifelhaft sein, daß dieses Prunkgefäß
einen siegreichen Feldzug des Fürsten verherrlichte, dem es ins Grab gefolgt ist.
Wohin dieser Feldzug übers Meer geführt hat, wissen wir leider nicht. Die Ähn-
lichkeit der auf dem Rhyton dargestellten Burgmauern mit denen der sogenann-
ten II. Stadt von Troja reicht nicht zu einer Gleichsetzung aus, die an sich verfüh-
rerisch und auch wirklich nicht ganz ausgeschlossen erscheint; denn der für den
Untergang jener Stadt zu erschließende Zeitpunkt würde dem unserer Grüfte an-
nähernd entsprechen (vgl. unten S. 334 f.), während die Zerstörung der VI. troi-
schen Stadt sich bekanntlich dem von den Griechen angenommenenDatum des troja-
nischen Krieges auffallend nähert.

Auch auf den Grabstelen hat man einzelne Vertreter einer fremden Rasse
erkennen wollen: sowohl die kleinen Verfolgten auf 1428/9, wie vor allem die son-
derbaren Figürchen auf den Bruchstücken Heurtley XXI. Daß der Fürst in dieser
Kunst nicht größer als seine Gegner dargestellt zu werden braucht, lehren 35. 116.
241. Somit halte ich jene Deutung der kleinen Gestalten für durchaus möglich,
wenn auch, in Anbetracht der unbeholfenen Ausdrucksweise vor allem der Bruch-
 
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