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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0317

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14. Das Handwerk und seine Technik

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wehrlos gegenüber. Sie haben offenbar sehr bald versucht, die fremden Vorbilder
nachzuahmen, und man kann die Stufen dieser Bemühungen gut an unserem Ma-
terial an Vasen und Scherben ablesen. Die festländische Kamaresware bleibt zu-
nächst noch recht unvollkommen, erhebt sich aber bald zu Leistungen, die den
kretischen Vorbildern nahezu ebenbürtig sind1). Die frühmykenische Firnismale-
rei vollends erreicht schon nach wenigen tastenden Versuchen (oben S. 254 ff.) eine
technische und künstlerische Höhe, die nur von dem besten Spätminoischen über-
troffen wird. Wir sind noch nicht in der Lage, innerhalb des Gesamtmykenischen
Werkstätten zu scheiden, weder in der Argolis, die wohl alsbald die Führung über-
nommen hat, noch in anderen Teilen der Peloponnes und Mittelgriechenlands. So
erscheinen uns auch die mykenischen Vasen der Schachtgräber mit denen der
zeitgenössischen Gräber von Mykenai und vom argivischen Heraion als einheitliche
Masse. Scherbenfunde von Mykenai und Tiryns lehren, daß jene Gräber zwar nicht
der frühesten Phase minoischen Imports und Einflusses angehören (Kamaresware
fehlt in ihnen ganz!), daß sie aber zeitlich nicht weit von ihr getrennt sind. Es
wird sich da auch nur um wenige Jahrzehnte handeln. Jedenfalls beherrschen
die Töpfer, denen wir 190 ff., CLXVII ff. oder 945, CLXXV verdanken, ihre
Kunst genau so gut wie ihre kretischen Kollegen: Tonscherben, Drehscheibe, Qua-
lität des Firnisses, Sicherheit der Pinselführung stehen hier wie dort auf gleicher
Höhe.

In der Bearbeitung des Steins sind zwei Richtungen zu unterscheiden. Die
Gefäße und Knäufe aus Alabaster sind nach Material, Technik und Formen rein
kretisch (vgl. oben S. 203 f. 239 ff.). Das tritt besonders in der Drechslerarbeit
der Vasen auf Taf. CXXXVII—CXL klar zutage. Auch die Verbindung von Stein
und Edelmetall bei 829, CXXXVII entspricht minoischem Brauch"). Anders die
Grabstelen, für die es auf Kreta überhaupt keine Vorstufen oder Parallelen gibt.
Hier haben sich die mykenischen Künstler ihren Weg selbst suchen müssen. Als
erste Stufe wird man auf Steinplatten gravierte Umrißlinien voraussetzen: so ist
die kleine Stele 'Eqpij/u. aQ%. 1888, 127 Abb. 4 verziert, deren Alter freilich nicht
festgestellt werden kann. Dieses Stadium zeigt noch das Spiralornament auf dem
untersten Teil von 1429, VI; darüber ist die typische Technik dieser Grabsteine an-
gewandt: um die gravierten Linien herum ist der Grund senkrecht in gleicher
Tiefe weggeschlagen, so daß sich Ornamente und Figuren wie flache Laubsäge-
arbeiten vom ebenen Hintergrunde abheben. Es ergeben sich Bilder von klarer,
befriedigender Wirkung und festem Stil (Taf. VIII—X, S. 31 ff.); neben ihnen
erscheint die wohl von minoischer Relieftechnik beeinflußte Stele 1427, VII un-
klar und schwächlich, noch mehr gilt dies natürlich von den tastenden Versuchen

*) Die spärlich veröffentlichten Proben geben ein recht unvollständiges Bild: Myk. Thong. Taf. 6; Persson,
Bull. Soc. B. de Lund 1924/5, Taf. XXIX. Besonders wichtige Stücke haben G.Welters Ausgrabungen beim Aphrodite-
tempel von Agina geliefert. Darüber vorläufig Arch. Anz. 1925, 319 Abb. 4.

2) Evans I 252 Abb. 189 a. 675 Abb. 495. II 823 Abb. 539.

40 Karo, Schachtgräber
 
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