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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0326

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318

III. Ergebnisse

auf langwierigen Handelswegen aus dem hohen Norden gebracht wurden: balti-
scher Bernstein, dessen Fülle in den Schachtgräbern und einigen älteren Kuppel-
gräbern besonders auffällt'), vielleicht auch der „Dolchstab" 928 (oben S. 198).

Auch die Beziehungen des Festlandes, vor allem der Peloponnes, zu Kreta,
kann man sich nicht, nach Art der minoisch-ägyptischen, friedlich vorstellen. Dazu
fehlte die Gegenseitigkeit in dem Angebot begehrenswerter Bohstoffe und Waren.
Sir Arthur Evans nimmt bekanntlich an, daß die Könige von Knossos Vasallen-
Fürstentümer auf dem Festlande begründet, dieses also unterworfen und koloni-
siert hätten. Daß und warum ich dies nicht glauben kann, ist S. 341 ff. ausgeführt.
Dann bleibt aber, als einzige Erklärung der plötzlich zur Zeit der Schachtgräber
oder unmittelbar zuvor in breitem Strom einsetzenden Einfuhr minoischer Erzeug-
nisse, die Annahme großer kriegerischer Unternehmungen der festländischen Für-
sten gegen die reiche Insel, deren Herren bis dahin jene ärmlichen Gebiete wohl
mißachtet und kaum gekannt hatten. In wenigen, endgültigen Sätzen hat U. von
Wilamowitz-Moellendorff diesen Standpunkt vertreten (Der Glaube der Helle-
nen I 57 f.): „Wie sollen wir nun erklären, daß die Hellenen unabhängig und mäch-
tig blieben und sich doch der kretischen üppigen Kultur ganz unterwarfen? Auch
hier erschließen wir, daß eine Seemacht vorhanden war, die es mit der kretischen
aufnehmen konnte. An Wikingerzügen der Mykenäer hat es nicht gefehlt, aber
sie konnten wohl Beutestücke und Gefangene heimbringen, die Übernahme der
Künstler und der Sitten aber nicht bewirken. Handelsverbindungen genügen auch
nicht: sie konnten nichts exportieren und dagegen die Massen von Gold eintau-
schen. Die Heere und die Fürsten der Argolis müssen selbst auf Kreta gewesen
sein. Also ist der mehrfach gezogene Schluß zwingend, daß die Zerstörung des
älteren Palastes von Knossos durch eine vorübergehend erfolgreiche Invasion der
Griechen herbeigeführt ist, die aber diesmal noch abgeschlagen ward, worauf eine
Zeit des regen friedlichen Verkehrs folgte, und da die überreife kretische Kultur
in sich niederging, zogen auch kretische Handwerker und Künstler dorthin, wo
sie in der Argolis und Böotien Beschäftigung fanden."

Was erhielt nun im XVI. Jahrhundert das Festland, im besonderen Mykenai,
von Kreta? Zunächst wohl einen Teil seines Metallbedarfs, sofern dieser nicht
aus Anatolien kam; eine solche Masse von Gold und Silber, Kupfer, Bronze, Zinn,
Blei, wird kaum bloß aus einer Quelle stammen5). Eine sehr große Zahl kostbarer
Gefäße, Geräte und Waffen, auch die schönsten Schmucksachen, können ebenso
auf Kreta für den Export nach Mykenai hergestellt sein wie hier selbst von minoi-
schen Künstlern oder ihren einheimischen Schülern. Manches andere, vor allem

1) Nr. 100 f., XXV. 208, CL. 513, LVII. 757 ff., dazu oben S. 179 f. 188 f.; K. Müller, Ath. Mi«. XXXIV 1909,
278 ff. Bezeichnend ist das Fehlen des Bernsteins auf Kreta vor SM. I (Evans bei Xanthoudides, Vaulted Tombs of
Mesarä S. XII), wie überhaupt aller Beziehungen zum Balkangebiet und Mitteleuropa.

2) Eisen tritt bekanntlich erst in den ältesten Kuppelgräbern auf, und auch dort bloß als ein dem Golde gleich-
geschätztes Edelmetall; sein eigentlicher Wert für Waffen und Geräte bleibt bis ans Ende der mykenischen Kultur
unerkannt. Dazu treffend U. v. Wilamowitz, a. a. O. 57 Anm. 3.
 
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