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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0336

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328

III. Ergebnisse

der im ganzen sehr schlecht und spärlich erhaltenen Extremitätenknochen mehr
für die großwüchsige nordische als die zierliche Mittelmeerrasse sprach, möchte
auch ich die geschilderte Mächtigkeit und Langgesichtigkeit an den Masken, das
Kinn, die Lippen, die Augen zugunsten der Diagnose „nordisch" anführen. An-
dererseits die nicht sehr hohe Nase, die Nasenstirngegend, die etwas kleineren Ge-
sichter für „mediterran". Wie weit hier ein vorhergehendes künstlerisches Ideal,
etwa ein mediterranes, sich mit einem neuen von Norden kommenden vermählt
hat, wie es wohl die Menschen selbst gemacht haben, wage ich nicht zu entscheiden.
Aber ich halte es doch für sehr erfreulich, daß anthropologische Untersuchungen,
unabhängig von archäologischen Ergebnissen, zu einem Schlüsse kommen, der zu
jenen paßt. Ich möchte den Nachweis des nordischen Einschlages fast noch ein
wenig stärker betonen, mich aber sonst gerne auch hier dem erfahrenen älteren
Meister anschließen: C. Fürst sagt im Anschluß an seinen Vergleich von schwedi-
schen Steinzeitschädeln mit solchen aus mykenischer Zeit aus der Argolis, es sei
„nicht möglich, weiter als zu indirekten Beweisen zu gelangen, d. h. daß die Mög-
lichkeiten, wenn die archäologischen Tatsachen dafür sprechen, nicht ausgeschlos-
sen sind".

Es möge noch eine Schlußbemerkung hier gestattet sein, die Bitte an die
archäologisch forschenden Kollegen, wenn möglich noch mehr als bisher auch
Mühe und Arbeit an die Bergung rein anthropologischen Materials anzuwenden.
Man sieht ja aus der vorliegenden kleinen Studie, wie wenig Sicheres wir noch
wissen. Auch wenn die Anthropologie heute noch nicht in der Lage ist, jeweils
sichere und abschließende Urteile zu geben, es kommt Einzelergebnis zu Einzel-
ergebnis, bis einmal ein abgerundetes Rassenbild auch der Archäologie ihre Mühe
belohnen wird.

[Wir können die Masken in zwei Gruppen scheiden, je nachdem sie Typen oder
Individuen wiedergeben. 253/4, XLVII f. (erstere jetzt bei Evans, Shaft Graves
7 Abb. 3, nach Schliemanns Originalaufnahme) gleichen einander so vollkommen,
daß jede bildnismäßige Wiedergabe eines bestimmten Menschen ausgeschlossen ist.
Indessen darf man über der fast ornamentalen Schematisierung nicht übersehen,
daß ein ganz bestimmter Menschentypus dargestellt ist (oben S. 321 f.).
Ältere Männer wird man hier erkennen, ohne dem subjektiven Eindruck der
trotzigen, herrisch verschlossenen Gesichter größeren Wert beizulegen.

Die drei anderen Masken tragen individuelle Züge. Sie sind zunächst viel
höher getrieben und stärker gewölbt, den wirklichen Verhältnissen des mensch-
lichen Kopfes entsprechend. Stirn und Kinn sind gewachsen, die beiden Brauen-
bögen scharf von einander abgesetzt, der Mund wesentlich breiter im Verhältnis
zur geraden, nicht sehr langen Nase. 259, XLIX f. und 623, L stellen offenbar
zahnlose Greise dar; aber die beiden Gesichter weisen wesentliche Unterschiede
auf. 259 hat große Glotzaugen, lächelnden Mund mit deutlich angegebenem, kur-
 
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