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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0337

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16. Anthropologische Bemerkungen zu den Masken

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zem, an den Spitzen gedrehtem Schnurrbart. Das starke, eher hagere Gesicht wirkt
im Profil richtig, in Vorderansicht viel zu breit und fleischig. 623 ist für eine gute
Profilansicht zu arg zerdrückt, die Züge sind hier weicher, schwammiger, die Au-
gen schmal, die Nase auffallend kurz, über dem zusammengekniffenen Mund ist
der Schnurrbart nur eben angedeutet (falsch hierüber Ath. Mitt. XL 1915, 171).
Beide Gesichter wirken lebendig und individuell, wenn man sich etwas in sie hin-
eingesehen hat. Sie sind offenbar der Wirklichkeit nachgeschaffen, wie schon die
greisenhafte Erscheinung lehrt. Denn Idealtypen hätte man doch wohl jugendlich
gebildet, wie die archaisch-griechischen „Apollines", die gewiß nicht nur auf Jüng-
lingsgräbern standen.

Noch stärker porträtmäßig erscheint 624, LH, Schliemanns „Agamemnon":
ein Mann in reifen Jahren, von edlem, fast „klassischem" Profil. Die einzelnen

Abb. 126. Siegelabdrücke in Candia.

Züge sind viel naturnäher modelliert als die der anderen Masken, freilich auch
hier nicht recht zu einer Einheit verschmolzen; als hätte der Künstler über der
gewissenhaften Wiedergabe der Einzelformen den Zusammenhang verloren. Das
konnte gerade geschehen, wenn er sich bemühte, ein möglichst getreues Bildnis
zu schaffen. Das Typische tritt hier am stärksten zurück. Zu der merkwürdigen
Barttracht s. oben S. 178 und 326; auch sie ist durchaus individuell und verstärkt
die porträthafte Wirkung.

So dürfen wir in unseren Masken die ältestenBildnisse des europäi-
schen Festlandes erkennen. Ein wenig älter sind wohl die beiden bekannten Sie-
gelabdrücke von Knossos, mit den Köpfen eines Fürsten und eines kleinen Prin-
zen (Abb. 126 nach Evans I 8f. Abb. 2). Ein besonders glücklicher Zufall erlaubt
uns hier, die Gesichter zeitgenössischer Herrscher von Knossos und Mykenai zu
vergleichen; dabei treten bedeutende Unterschiede hervor. Der minoische Fürst
(mit dem das kränkliche Kind eine gewisse Familienähnlichkeit aufweist) hat eine
viel längere, breitere Nase mit charakteristischer Schwellung, ganz niedrige Stirne,
 
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