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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,1): Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.1226#0112
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- SINSHEIM

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Sinsheim zu den ersten Städten, gegen die sich die hellen Haufen der Bauern, welche
eben das Schloß Steinsberg in Brand gesteckt hatten, wälzten. Ihrem Hauptmann Anton
Eisenhut, dem Pfaffen von Eppingen, öffneten sich die Tore der Stadt, und bald schlugen X
die Flammen aus den Stiftsgebäuden und der Kirche auf dem Klosterberge. Die Stadt
selbst scheint glimpflich davongekommen zu sein.

Die nächste Zeit wird durch die erneuten Versuche der Bürgerschaft, ihre Ab-
hängigkeit vom Kollegiatstifte zu mindern, charakterisiert, eine völlige Loslösung erfolgte
jedoch erst mit der Einführung des reformierten Gottesdienstes in der Sinsheimer Stadt-
kirche und der Anstellung des ersten evangelischen Pfarrers in Sinsheim i. J. 1553. Die
Einführung der neuen, sich streng an die unveränderte Augsburger Konfession an-
schließenden Kirchenordnung unter Ottheinrich i. J. 1557 vollendete die Befreiung der
Stadt von der Stiftsgewalt. Unter persönlicher Anwesenheit des Kurfürsten Friedrich III.
in Sinsheim erfolgte am 16. April 1565 die gewaltsame Aufhebung des Stiftes und die -'"
Verbannung der Stiftspersonen, welche die ihnen vorgelegte Kapitulation nicht unter-
schrieben hatten. Trotz der heftigsten Klagen bei Kaiser und Reich und trotz der
eifrigsten Bemühungen von seiten der vertriebenen Stiftsherren war damit das Schicksal
der einst so reichen und mächtigen Abtei besiegelt.

Besonders schwere Zeiten führte der Dreißigjährige Krieg über den Kraichgau und
Sinsheim herauf. Nach dem Sieg über Tilly bei Mingolsheim am 27. April 162z nahmen
Graf Mansfeld und Markgraf Friedrich von Baden Sinsheim und Eppingen in Besitz,
nachdem die bayerischen Besatzungen dieser Städte niedergehauen waren; bald darauf
aber nach dem unglücklichen Ausgange der Wirnpfener Schlacht fiel die ganze Gegend
wieder in die Hände der Bayern, die nach der Eroberung Heidelbergs eine Re-
katholisierung des Landes ins Werk setzten und ihr Hauptaugenmerk auch auf die Wieder-
herstellung des Kollegiatstiftes Sinsheim richteten. Im Jahre 1626 wurde zunächst, weil
die Mittel zur Besoldung eines Dekanes fehlten, ein adliger katholischer Priester Peter
Ernst von Ouhren als Regens eingesetzt, dem dann bald darauf zwölf Stiftspersonen, i
darunter zwei adlige Stiftsherren, zu- und untergeordnet wurden.

Das Herannahen der siegreichen Heere Gustav Adolfs veranlaßte zwar vorübergehend
wieder die Flucht der Katholischen, aber 1635 bereits, nach der unglücklichen Schlacht
bei Nördlingen, finden wir Peter Ernst von Ouhren wieder auf dem Stiftsberge, den das
Domstift Speier mittlerweile mit einem Schaffner besetzt hatte.

Die Stadt muß in damaliger Zeit, besonders in den Jahren 1635 und 1636, durch
die flüchtenden schwedischen Truppen ebenso wie durch den Durchzug des nach-
drängenden kaiserlichen Heeres des Grafen Gallas aufs ärgste gelitten haben. Grauen-
volle Teuerung und beinahe unerträgliche Hungersnot herrschten in Stadt und Land, Pest
und Rote Ruhr dezimierten die Bevölkerung. In diese Zeit fällt die feierliche Wieder-
einsetzung des Dekanats und Kapitels des adligen Ritterstiftes Sinsheim durch eine
Bulle Urbans VIII. vom 21. Juni 1636. Der Westfälische Friede hatte aber mit der
Rückgabe der Pfalz an Karl Ludwig auch die gänzliche Aufhebung des Stiftes zur Folge. >
Das letzte Jahrzehnt des großen Krieges hatte zwar noch mancherlei Unheil für die
Neckargegenden im Gefolge, im ganzen aber kam Sinsheim glimpflich davon, bis zu
allerletzt i. J. 1648 die Franzosen bei ihrem Abzüge Stadt und Stiftskirche noch einmal
arg unter der Kriegsfurie leiden ließen.
 
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