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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,1): Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.1226#0132
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KREIS HEIDELBERG

Steinkuppel angibt. Außerdem zeigt das kleine Fenster oben an der Westseite die
Jahreszahl \§$ "Z.3> 50 daß die Bauzeit also sechs bis sieben Jahre umfaßt haben wird.
Die Anlage des Turmes an dieser Stelle ist eine sehr merkwürdige. Die alte
romanische Basilika hatte im Mittelschiff des üblichen Hauptportals entbehrt, weil der
hier im Westen ziemlich steile Abfall des Berges einen monumental ausgestalteten Zugang
auf dieser Seite ausschloß. Dafür mag eine Eingangspforte im südlichen Seitenschiff
angebracht gewesen sein, zu der eine Steintreppe von der Stadt heraufführte. Auf der
Nordseite sprang das anschließende Klostergebäude vor dem nördlichen Seitenschiffe
vor, so daß hier kein Zugang möglich war. Nachdem aus dem alten Benediktinerkloster
i. J. 1496 eine weltliche adlige Kollegiat- und Stiftskirche gemacht worden war, scheint
sich das Bedürfnis nach Herstellung eines würdigeren Einganges auf der Westseite und
zugleich nach Errichtung einer weithin sichtbaren Turmanlage fühlbar gemacht zu haben,
und so bildete man das unterste Geschoß der
, letzteren zu einer hohen Eingangshalle aus, in
I die von Norden eine weite Spitzbogenöffhung
1 hineinführte, während eine zweite ebensolche den
Durchgang ins Kircheninnere, d. h. zunächst ins
südliche Seitenschiff, vermittelte. Wahrscheinlich,
daß eine stattliche Freitreppe vor der Front der
Kirche zum Turmportal hinaufführte.

Ein schönes spätgotisches Netzgewölbe
bildet die Decke der Turmhalle, die außer durch
den Eingangsbogen, auch durch ein großes, jetzt
zugemauertes Fenster mit Fischblasenmaßwerk in
der Westseite Licht erhält. An der Südseite führt
die obenerwähnte Spitzbogentür (s. Fig. 57) mit
reicher spätgotischer Umrahmungzu der steinernen
Wendelstiege und in die oberen Stockwerke des
Turmes. Im Westen von mächtigen, diagonal
gestellten Strebepfeilern gegen den Bergabhang
zu gestützt, erhebt sich der viergeschossige Turm
bis zu halber Höhe quadratisch, d. h. bis etwa zur Hohe des ehemaligen Dachfirstes des
Mittelschiffes, um von da achteckig zwei weitere Stockwerke hoch anzusteigen und mit
einer steinernen achtseitigen Flachkuppel zu endigen, deren Fuß oberhalb eines kräftigen
Hauptgesimses von einem mit Bogenstellungen gezierten Steinbaluster umgeben ist
(s. Fig. 58 und den Lichtdruck Tafel VII).

Die steinerne Wendelstiege endet im dritten Stockwerk, das durch vier große zwei-
geteilte Maßwerkfenster erhellt wird. Von hier fuhrt eine Holztreppe zur Glockenstube
und Kuppel.

Der ganze Turm befindet sich ebenfalls stark im Verfall und bedarf sorgsamer
Überwachung und Ausbesserung, wenn er fernerhin, wie bisher, als Wahrzeichen der
einstigen Bedeutung dieser viel umstrittenen ehrwürdigen Klosterstätte noch jahrhunderte-
lang weithin sichtbar die Gegend beherrschen soll. [Ob in der Tat unter dem ehemaligen
Chor eine Krypta vorhanden, wie Wilhelmi annimmt, dürfte durch Ausgrabungen
unschwer zu konstatieren sein.] Zu erwähnen ist noch der außen an der Südseite am

Fig. 59-

Rest einer romaisischen Tür, am Turm der

Stiftskirche zu Sinsheim eingemauert.

(Nach A. von Bayer.)
 
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