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Oechelhäuser, Adolf von; Kraus, Franz Xaver [Hrsg.]
Die Kunstdenkmäler des Grossherzogthums Baden (Band 8,1): Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch (Kreis Heidelberg) — Tübingen, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.1226#0209
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lg2 KREIS HEIDELBERG

die Katholischen den Chor und zwei Siebentel des Langhauses, die Reformierten den
Rest des Langhauses. Dies Simultaneum besteht heute noch.

Die Kirche besteht aus zwei Hauptteilen: einem im 14. Jh. errichteten, im 16. Jh.
erneuerten gotischen Chor und einem i. J. 1685 neu hinzugefügten einschiffigen Lang-
hause, vor welchem man die Vorhalle der gotischen Kirche wieder aufgebaut hat. Ein
viereckiger Glockenturm erhebt sich an der Südseite. Zur Herstellung des hoch gelegenen
Piateaus, auf welchem die Kirche steht, waren kostspielige Substruktionen erforderlich.
Mächtige Stützmauern sichern die Terrasse, von wo sich ein reizvoller Blick ins Tal
bietet.

Als der Deutschorden i. J. 1367 die S. Michaelskirche zu Hilsbach überwiesen
erhielt, stand hier eine gotische Kirche, deren Chor erbalten blieb, als sich i. J. 1685,
sei es infolge von Baufälligkeit, sei es aus Raummangel, das Bedürfnis nach einem Neubau
herausstellte. Obige Jahreszahl an der Ecke des Turmes. Bei dieser Gelegenheit sind
in den oberen Partien des Chores Erneuerungen vorgenommen und die Archi-
tekturteile eines ehemaligen gotischen Vorbaues bei der neuen Vorhalle zur Wieder-
verwendung gelangt. Die letztere zeigt am Schlußstein des äußeren Torbogens die
Jahreszahl 1507 (undeutlich, könnte auch 1569 oder 1509 beißen). Die betreffenden
ArchitekturteÜe stammen also von einer zweiten gotischen Bauperiode her. Die letzte
Bautätigkeit an der Kirche erfolgte am Turm, und zwar i. J. 1756 {Jahreszahl oben am
Turm), wodurch dieser den in klassizistischen Formen gehaltenen obersten Abschluß
erhielt.

Den alten gotischen Chor zeigt unser Lichtdruck Tafel XTV. Die Formen sind
streng, sowohl die der abgestuften, kräftigen Strebepfeiler, als auch der ihrer Mittelstütze
beraubten (zum Teil erneuerten) Maßwerkfenster. Das Kreuz- und Polygongewölbe im
Innern zeigt ein ziemlich schlankes Nasenprofil. Die in die Sakristei führende spitz-
bogige Tür ist im oberen Teil erneuert worden, als die neue Sakristei hier, gleichzeitig
mit dem Schiff, errichtet worden ist.

Das einschiffige Langhaus wird von hohen Fenstern erhellt, die dem stehen-
gelassenen Chor zuliebe spitzbogig geschlossen, aber mit ganz unverständig gezeichnetem,
rohem Maßwerk versehen sind. Um Platz für den Turm an der Nordseite zu behalten
und eine kostspielige Vergrößerung der Terrasse, d. h. die Errichtung neuer Unterbauten
zu vermeiden, hat man das Schiff aus der Achse des Chores um einige Meter beim Neubau
nach Süden gerückt, so daß der Chor nicht in der Mitte des Langhauses steht. Der
einschiffige saalartige Raum trägt eine flache Voutendecke und ist mit einer hölzernen
Empore ausgestattet, welche die westliche Schmalseite und halbe Südseite einnimmt,
aber aller künstlerischen Ausstattung entbehrt. Die in der Mitte der Nordwand in den
Turm führende Spitzbogentür scheint, wie die ganze Vorhalle, noch vom älteren Gottes-
hause, d. h. aus dessen zweiter, spätgotischer Periode, zu stammen. Daß die vor der
Mitte der Giebelfront stehende zweigeschossige Vorhalle gleichzeitig mit dem Schiff,
also i.J. 1685, aufgebaut worden ist, beweist die Gleichartigkeit des Mauerwerkes. Die
Tatsache verdient also besonders hervorgehoben zu werden, daß man im Zeitalter des
Barock (1685) im vorliegenden Falle bemüht gewesen ist, äußerlich eine gewisse Über-
einstimmung des Neubaues mit dem konservierten alten Teile (Chor) durch Verwendung
»gotischer« Fenster zu erreichen und daß man so viel Pietät besessen hat, alte spätgotische
Architekturteile beim Abbruch aufzubewahren und zur Wiederverwendung am Neubau
 
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