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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Wolf, Georg Jacob: Die 16. Internationale Kunst-Ausstellung in Venedig
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Arens, Franz: Vom Wesen des Künstlerischen Schaffens und Nacherlebens
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0039

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man sagt, es käme ihnen auf das Zeichnerische
an und sie hingen von Ingres ah und mit ihm
zusammen. Vielmehr scheint mir, daß es bei
ihnen nicht allein auf den äußeren Kontur
ankommt. Der innere straffe Aufbau eines
Kunstwerkes aus struktiven Momenten und
aus gesunder Kunslgesinnung ist für sie
wichtiger. Die Führer dieser Richtung sind

Ubaldo Oppi und Feiice Casorati. Die Wand
mit den eindrucksreichen und einprägsamen,
farbenstarken Gemälden Casoratis ist, wenn
man Konzentration, gespannte Kraft und zeit-
genössisches Empfinden als die entscheidenden
Momente in der Kunst ansieht, wohl das Beste,
was die Ausstellung in Venedig zu geben hat.

Georg Jacob Wolf

VOM WESEN DES KÜNSTLERISCHEN SCHAFFENS

UND NACHERLEBENS

Zwischen der Psychologie des künstlerischen
Schaffens und Genießens auf der einen, der Be-
trachtung des Kunstwerks auf der anderen Seite
besteht, wie mir scheint, ein wesentlicher
Unterschied.

Aus diesem Grunde möchte ich das Buch des
österreichischen Philosophen Ernst Roth über
„Die Grenzen der Künste" *), von vornherein
lieber in eine geistige Atmosphäre gestellt wis-
sen, die seinem durchaus und lediglich psycho-
logischen Charakter gemäß ist. Roth untersucht,
streng genommen, nicht die Grenzen zwischen
den Künsten, sondern die Differenzierung der
für die verschiedenen Künste kennzeichnenden
Erlebnisse. Und auch das noch in beständigem
Wechselspiel zwischen zweierlei Erlebnistypen,
deren weitgehende Analogie er keineswegs so
ganz glaubhaft zu machen vermag: dem Erlebnis,
das den Künstler zum Schaffen anregt (und,
das nun auch noch keineswegs der Vorgang
des Schaffens selbst ist) und dem Nacherleben
des Kunstwerks in der Seele des Genießenden.
Eine umfassende und erschöpfende Kunst-
theorie kann auf diesem Wege nicht wohl Zu-
standekommen; da aber anderseits der öster-
reichische Autor trotz seiner Einstellung auf
Erlebnisanalyse keineswegs einer „wertfreien"
Betrachtungsweise zuneigt, ergibt sich eben eine
Mischgattung, die in gewissem Grade das Tem-
perament des Verfassers widerspiegelt: denn
auch hier finden wir eine nicht ganz gewöhn-
liche, übrigens auch nicht reizlose Mischung
von sachlicher A ernünftigkeit und zufahren-
dem Temperament.

*) Stuttgart, J. Engelhorns Nachf., 1925.

Um es gleich zu sagen: es geht Ernst Roth
nicht etwa um die bildenden Künste im beson-
deren. Ihm ist die Bildnerei als Ganzes (und hier
denkt er offenbar nur an Malerei und Plastik: der
Architektur wird mit keinem Worte Erwäh-
nung getan, vermutlich deshalb, weil sie in seine
allgemeine Forderung, die Kunst solle „frei von
Rücksicht auf das tägliche Bedürfnis" sein, nicht
hineinpaßt) nur eine der drei künstlerischen
Grundmöglichkeiten, die seiner Meinung nach
den drei Möglichkeiten des Erlebens entspre-
chen: während dem Erlebnis des Gefühls
die Tonkunst Ausdruck verleiht, der Gedanke
in der Dichtung seine Ausprägung empfängt,
ist die Empfindung (genauer gesprochen: die
durch das Auge vermittelte Sinnesempfindung)
Domäne des bildenden Künstlers.
EinÜberschuß an Empfindungsinhalt bezeichnet
also den bildenden Künstler. Der Zustand des
bildnerisch veranlagten Menschen bei der künst-
lerischen Empfängnis ist — darin hat Roth
ganz recht — nicht als „Denken" charakterisiert;
darum ist — auch darin hat er recht — der
Terminus „Abstraktion" für das Verhalten
des Bildners zu seiner Naturunterlage von vorn-
herein kein glücklicher, und eben deshalb ist
er schließlich auch ein geschworener Feind des
Expressionismus,gegen dessen typische Hervor-
bringungen er den Vorwurf erhebt, sie fixier-
ten bestenfalls auf graphischem Wege Gedan-
ken, nicht aber eine bildnerische Erscheinung.
Was für einen Profit ergäbe wohl solche Über-
schreitung der den einzelnen Künsten gesteck-
ten Grenzen? Ins Reich des Gedanklichen vor-
gedrungen, könne der Bildkünsller mit all seiner

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