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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Erbslöh, Adolf: Phantasie und Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0227

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ADOLF ERBSLÖH. GEW ITTERLANDSCHAFT. LITHOGRAPHIE

gleich seine höchste Wonne. Denn mit der Form
bannt er seine \ orstellungen, in der Form fin-
det er den „ruhenden Pol in der Erscheinungen
Flucht", mit der Form siegt er über die verwir-
rende Vielheit und Buntheit, über die bedräu-
ende Gewalt der äußeren Dinge und inneren
Erlebnisse. In der Form findet er seine Er-
lösung.

Die Form aber muß mit jedem Werke aufs neue
geboren werden, die Form wird sich ändern mit
dem Werdegang des Künstlers, denn sie wird das
Abbild seiner jeweiligen Vorstellungen, seiner
inneren Entwicklung sein. Und je echter und
größer er als Künstler ist, um so klarer und be-
deutsamer werden seine Werke die ihm eigene
Form offenbaren.

Die Phantasie kann mehr von den Dingen der
Umwelt angeregt werden („vom Objekt ihr Ge-
setz empfangen") oder sie kann mehr aus den

inneren Erlebnissen des Künstlers befruchtet
w erden: hier Realismus, dort Idealismus; Franz
Hals und Poussin, Leibi und Marees. Der große
Künstler wird stets die seinen Vorstellungen ent-
sprechende, d. i. die ihm notwendige Form fin-
den, und so wird die Form zum Ausdruck seines
Inneren, zum Symbol seines Wesens.
Das Kunstwerk ist Gestaltung, formgewordene
Phantasie. So redet es zu unseren Sinnen, so
wird es zur Mitteilung, zur Sprache. Zur Sprache
des Geistes und des Herzens, zum Mitte], das
Tiefste und Gewaltigste, das Zarteste und In-
nigste auszusprechen, das Unsagbare laut wer-
den zu lassen. Eine Statue von Phidias, eineFuge
von Bach, ein Bild von Rembrandt, eine Sym-
phonie von Mozart: ist es nicht die Form, die
uns die Phantasie ihrer Schöpfer offenbart, ist
es nicht ihre Form, die zur geheimnisvollen
Sprache ihres Geistes ward? Adolf Erbslöh

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