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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Briner, Eduard: Der Bildhauer Alphons Magg
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Steenhoff, W.: "Was ich suche, ist für jeden zu finden", [2]: aus den Briefen Vincent van Goghs an seinen Bruder
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0268

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DER BILDHAUER ALPHONS MAGG

Unter den jüngeren Bildhauern der deutschen
Schweiz vertritt Alphons Magg einen gesunden,
lebensvollen Realismus. Seine Skulpturen ver-
raten nicht vor allem eine stilistische Bemühung
und lassen vollends keine Absichtlichkeit, zeit-
gemäß zu sein, erkennen. Sie leben von einer
freudigen Hingabe an die schöne Erscheinung
des Körperlichen, und ein ursprünglicher Sinn
für plastische Werte vereinigt sich harmonisch
mit dieser lebendigen Anschaulichkeit. So hat
sich der Künstler eine schöne Ruhe und Sicher-
heit des Arbeitens bewahrt, und sein zur Reife
gelangtes Talent besitzt etwas Naturhaftes und
Selbstverständliches. Geradein diesem Verzicht
auf allzu Bewußtes, Gewolltes liegt die schöne
Klarheit und auch der persönliche Reiz dieser
Arbeiten beschlossen.

Als der Bildhauer versuchte, eine überlebens-
große Aktfigur ohne inneres Gerüst, als Hohl-
form, wie ein keramisches Gefäß aufzubauen,
ergab das Technische von selbst auch die for-
male Bindung, die statuarische Festigkeit und
Großzügigkeit. Die Gestalt wächst vom Ge-

bundenen, Schweren zum Freien und Leichten
empor, und reicheNuancen der Form bewegung
beleben den geschlossenen Aufbau. Die Frauen-
akte dieses Künstlers haben jene stille Freude
am Leben, am körperlichen Dasein, die auch
auf den Beschauer weiterwirkt; auch der ein-
fache, aber lebensvolle Ausdruck der Köpfe
dient diesem Wesenszug. Der Realismus er-
scheint gesammelt, vereinfacht, von innen her-
aus belebt und zum Ausdruck des schöpferi-
schen Lebens gesteigert.

Auch bei den Bildnisbüsten, von denen die-
jenige des verstorbenen Dichters Heinrich Fe-
derer auch den Werteines Dokumentes besitzt,
wird der Ausdruck gleichsam aus der plasti-
schen Form heraus gewonnen. Die Wesenszüge
erscheinen nicht als Zeichen, die der Form auf-
geprägt werden, sondern als Eigenschaften der
körperlichen Form selbst. Die Unabsichtlichkeil
der Charakteristik läßt wiederum den bedeu-
tungsvollsten Wesenszug des Bildhauers er-
kennen : daß er die körperliche und geistige
Erscheinung als lebendige Einheit empfindet.

E. Briner

„WAS ICH SUCHE, IST FÜR JEDEN ZU FINDEN"

AUS DEN BRIEFEN VINCENT VAN GOGHS AN SEINEN BRÜDER

IL

Die Zeit in Auvers mit der in St. Remy wird,
im Anschluß an seine Blütezeit in Arles, als
van Goghs Endperiode betrachtet. Dies könnte
zu der falschen Schlußfolgerung führen, daß
sich nunmehr in seinen Werken ein allmäh-
licher Niedergang bemerkbar machte. Aber ge-
rade das Gegenteil ist der Fall: das Werk van
Goghs zeigt bis zuletzt eine stets ansteigende
Bewegung. Vielmehr ist in diesen späteren Äuße-
rungen intensiver als je ein verzweifeltes, aber
unbewußtes Sichwidersetzen bemerkbar gegen
die Anfälle seiner zunehmenden Geisteskrank-
heit.

Die Anstrengung, sich seiner selbst zu ent-
ringen, findet ihren großartigen Ausdruck, als
Entlastung seines gepeinigten Seelenzustandes,
in den Landschaften, die er in Auvers malte.
Sie sind von einer erschreckend dramatischen

Wirkung, alles in der Natur scheint sich in
ihnen seinen irdischen Banden entwinden zu
wollen. In diesen späteren Landschaften nimmt
alles eine fliehende Bewegung an; das Ganze
zeigt sich in einer heftigen Erschütterung und
am Himmel sind fremde Zeichen, die uns ge-
mahnen an das Rätselhafte der Apokalypse.
Die Farbe erhält nunmehr eine übereinstim-
mend-symbolische Bedeutung. Das zarte Ko-
balt seiner Arier Werke hat einem herben
Preußischblau Platz gemacht, das bisweilen
wie aus vollen Tuben über den Himmel ausge-
schüttet zu sein scheint, und in einer Landschaft
mit Heuschobern, wo die erlöschende, große
Feuerkugel hinter den Bergen versinkt, spricht
das matte Violett von einer endlosen Desolat-
heit. In wogenden Linienbewegungen drückt
sich etwas aus von ratlosem Händeringen und

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