betonte. Diesen Dualismus zwischen Farbe und
Linie wußte Grünewald in der leichten duftigen
Pariser Atmosphäre auszugleichen. In Frank-
reich und den romanischen Ländern ist das
„Kolorit" der wesentliche Ausdruck künstle-
rischen Schadens. Seit dem Impressionismus
wurde das Licht in allen seinen Stimmungen
„entdeckt" und in symphonischen Akkorden ab-
gewandelt. Die Jüngeren, die nach Neuem such-
ten, fanden eine malerische Lyrik in reinsten
Rhythmen. Und Grünewald errang die Synthese
zwischen Linie und Farbe.
In seinen Y\ erken gewahrt man mancherleiEr-
innerungenan wähl verwandte Geister. Am stärk-
sten batMatisse auf ihn gewirkt; ihm verdankt
er die geschlossene Form und die innere Große
seiner Bilder. Er wurde für ihn zum Befreier
seiner eigenen Individualität. Doch Grünewald
war damals noch ein Suchender; er fand bei Van
Gogh und Greco mancherlei Anregungen, die
die in ihm schlummernden Kräfte zur Entfal-
tung brachten. Auch Seiu-at half ihm, seinen
Stil zu bilden. Die starke L berschneidung der
Bilder durch große Vordergrundsfiguren zeigt
— auf Seurats Erbe aufbauend — eine kurze
Periode exjiressionistischer Formgebung. Doch
über alle Einflüsse siegte seine eigene Persön-
lichkeit. Die Farbe, anfangs noch hart und un-
vermittelt in ihrem Zusammenklang, gewinnt
allmählich kräftige und freudige Harmonien
und ist stets von einer warmen und leuchtenden
Materie.
Die Landschaften zeigen eine große Freiheit
der Konzeption. 1911 entstand eine große Folge
in Italien, igi4—1918 bildete er den Hafen
von Stockholm in allen seinen Stimmungen und
Nuancen und in den letzten Jahren arbeitete
er am Mittelmeer, in der Nähe von Toulon
mit einem fast orientalischen Beichtum der
Palelte. Die Farbe bleibt in den Landschaften
stets der Hauptakzent. Das Blau des Himmels
und des Meeres, das Rot der Dächer und das
Grün der Wiesen und Bäume bilden einen
freudigen Dreiklang. — Sein Temperament ist
stärker als die Natur und gibt ihr eine ganz per-
sönliche Note von großer Farbigkeit, die der
letzte Ausdruck seines künstlerischen Schaffens
ist. Es fehlt bei Grünewald der Y\ iderglanz der
Atmosphäre. Die fernsten Hintergründe haben
die gleiche Leuchtkraft wie ganz nahe gesehene
Dinge. Daher haben seine Landschaften immer
etwas Flächenhaftes und Dekoratives.
Auchdie Porträts und Aktkomposilionen seiner
letzten Jahre sind stark koloristisch. Die Linie
hält mit selbstverständlicher Leichtigkeit den
psychologischen Ausdruck des verträumten
Schauens, des lässigen Sitzens oder des in sich
V ersunkenseins fest. Die Farben mit ihren leb-
haften Kontrasten erfüllen die Bilder mit der
gleichen seelischen Stimmung.
Daneben zeigt Grünewald eine besondere Be-
gabungfür dekorativeBelebung großer Flächen.
In Stockholm hatte er des öfteren Gelegenheit,
Bühnenbilder für die Oper zu entwerfen. Eine
seiner wesentlichsten Schöpfungen ist jedoch
die Ausschmückung des Kammermusiksaales
zu Stockholm, die er 1926 beendet hat. Ein
Deckenbild von 160 Quadratmetern und 30
YV andfüllungen variieren das Thema der Mu-
sik. — Tanz, Rhythmus und Bewegung beleben
die Kompositionen und drücken die ganze Skala
musikalischer Empfindungen aus: Adagio,
Scherzo und Allegro, Lyrik und Dramatik sind
die Leitmotive dieser mannigfaltigen Figuren-
gruppen.
Grünewald ist nicht an eine bestimmte Materie
gebunden. Er arbeitet mit der gleichen Freiheit
in Ol, Guasch und Aquarell und weiß auch
mit Stift und Kohle Stimmungen einzufangen.
die die größte malerische W irkung ausüben.
Es ist schwer, für das künstlerische Werk dieses
Malers ein Schlagwort zu finden, das seinen
ganzen inneren Reichtum wiedergibt, zumal ei-
fern von aller Kunstpolitik aus innerem Zwang
heraus seine Werke schafft.
Dr. Frit7. Neugaß, Paris
248
Linie wußte Grünewald in der leichten duftigen
Pariser Atmosphäre auszugleichen. In Frank-
reich und den romanischen Ländern ist das
„Kolorit" der wesentliche Ausdruck künstle-
rischen Schadens. Seit dem Impressionismus
wurde das Licht in allen seinen Stimmungen
„entdeckt" und in symphonischen Akkorden ab-
gewandelt. Die Jüngeren, die nach Neuem such-
ten, fanden eine malerische Lyrik in reinsten
Rhythmen. Und Grünewald errang die Synthese
zwischen Linie und Farbe.
In seinen Y\ erken gewahrt man mancherleiEr-
innerungenan wähl verwandte Geister. Am stärk-
sten batMatisse auf ihn gewirkt; ihm verdankt
er die geschlossene Form und die innere Große
seiner Bilder. Er wurde für ihn zum Befreier
seiner eigenen Individualität. Doch Grünewald
war damals noch ein Suchender; er fand bei Van
Gogh und Greco mancherlei Anregungen, die
die in ihm schlummernden Kräfte zur Entfal-
tung brachten. Auch Seiu-at half ihm, seinen
Stil zu bilden. Die starke L berschneidung der
Bilder durch große Vordergrundsfiguren zeigt
— auf Seurats Erbe aufbauend — eine kurze
Periode exjiressionistischer Formgebung. Doch
über alle Einflüsse siegte seine eigene Persön-
lichkeit. Die Farbe, anfangs noch hart und un-
vermittelt in ihrem Zusammenklang, gewinnt
allmählich kräftige und freudige Harmonien
und ist stets von einer warmen und leuchtenden
Materie.
Die Landschaften zeigen eine große Freiheit
der Konzeption. 1911 entstand eine große Folge
in Italien, igi4—1918 bildete er den Hafen
von Stockholm in allen seinen Stimmungen und
Nuancen und in den letzten Jahren arbeitete
er am Mittelmeer, in der Nähe von Toulon
mit einem fast orientalischen Beichtum der
Palelte. Die Farbe bleibt in den Landschaften
stets der Hauptakzent. Das Blau des Himmels
und des Meeres, das Rot der Dächer und das
Grün der Wiesen und Bäume bilden einen
freudigen Dreiklang. — Sein Temperament ist
stärker als die Natur und gibt ihr eine ganz per-
sönliche Note von großer Farbigkeit, die der
letzte Ausdruck seines künstlerischen Schaffens
ist. Es fehlt bei Grünewald der Y\ iderglanz der
Atmosphäre. Die fernsten Hintergründe haben
die gleiche Leuchtkraft wie ganz nahe gesehene
Dinge. Daher haben seine Landschaften immer
etwas Flächenhaftes und Dekoratives.
Auchdie Porträts und Aktkomposilionen seiner
letzten Jahre sind stark koloristisch. Die Linie
hält mit selbstverständlicher Leichtigkeit den
psychologischen Ausdruck des verträumten
Schauens, des lässigen Sitzens oder des in sich
V ersunkenseins fest. Die Farben mit ihren leb-
haften Kontrasten erfüllen die Bilder mit der
gleichen seelischen Stimmung.
Daneben zeigt Grünewald eine besondere Be-
gabungfür dekorativeBelebung großer Flächen.
In Stockholm hatte er des öfteren Gelegenheit,
Bühnenbilder für die Oper zu entwerfen. Eine
seiner wesentlichsten Schöpfungen ist jedoch
die Ausschmückung des Kammermusiksaales
zu Stockholm, die er 1926 beendet hat. Ein
Deckenbild von 160 Quadratmetern und 30
YV andfüllungen variieren das Thema der Mu-
sik. — Tanz, Rhythmus und Bewegung beleben
die Kompositionen und drücken die ganze Skala
musikalischer Empfindungen aus: Adagio,
Scherzo und Allegro, Lyrik und Dramatik sind
die Leitmotive dieser mannigfaltigen Figuren-
gruppen.
Grünewald ist nicht an eine bestimmte Materie
gebunden. Er arbeitet mit der gleichen Freiheit
in Ol, Guasch und Aquarell und weiß auch
mit Stift und Kohle Stimmungen einzufangen.
die die größte malerische W irkung ausüben.
Es ist schwer, für das künstlerische Werk dieses
Malers ein Schlagwort zu finden, das seinen
ganzen inneren Reichtum wiedergibt, zumal ei-
fern von aller Kunstpolitik aus innerem Zwang
heraus seine Werke schafft.
Dr. Frit7. Neugaß, Paris
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