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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 44.1928-1929

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Wolf, Georg Jacob: Die Neue Galerie der Stadt München
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https://doi.org/10.11588/diglit.14159#0296

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DIE NEUE GALERIE DER STADT MÜNCHEN

Vor einigen Jahren ging das weitläufige An-
wesen Franz von Lenbachs aus dem Besitz
seiner Erben in den der Stadt München über.
Der pompöse Neu-Renaissance-Palazzo an der
Luisenstraße, eine architektonische Leistung
Gabriel Seidls, wurde in seinem reichen deko-
rativen und repräsentativen Inneren möglichst
intakt erhalten, um späteren Geschlechtern zu
zeigen, wie in dem München des ausgehenden
19. Jahrhunderts ein Malerfürst lebte. Eine
umfangreiche mit in den städtischen Besitz
übernommene Sammlung besonders erlesener
Werke Lenbachs, ausnahmslos solche Stücke,
die seinen eigenen Beifall besaßen, die also nicht
„auf Bestellung" und des leidigen Geldverdie-
nens, sondern die der Kunst und des Malens
wegen entstanden waren, wurden in dieser
städtischen Lenbach-Galerie aufgestellt und
damit ein monographisches Kunstmuseum von
hoher Eigenart geschaffen.

Indessen wurde in fortschrittlich gesinnten
Kuuslkreisen Münchens, auch im Stadtrat selbst,
im Zusammenhang mit der Erwerbung des
Lenbach-Anwesens der Wunsch geäußert, daß
die Stadt auch einmal ihre moderne Kunst-
gesinnungbetätigen und eineneuzeitlicheGalerie
auf einem Teil des außerordentlich günstig
im Münchner Museums-Viertel gelegenen Len-
bach-Areals errichten möge. Dem Wunsche
folgte Gewährung, dem Bauheschluß die Tat.
Architektonisch verbunden, aber für den Be-
sucher dennoch markant abgetrennt und deut-
lich als ein eigenes Institut gekennzeichnet, ist
nach den Plänen des Stadtbaudireklors Ge-
heimrats Dr. Grässel das Gehäuse der neuen
städtischen Kunstgalerie emporgestiegen. Ohne
die stark dekorative Note des Baues von Gabriel
Seidl aufzunehmen, folgt es diesem in der Glie-
derung und in der Linienführung der Baumasse,
ist aber sonst nach außen hin wie im Inneren
schlichter, sachlicher und als Kind einer schwe-
ren, verarmten Zeit gekennzeichnet. Da der
städtische Galeriedirektor Dr. Eberhard Hanf-
stängl schon seit mehreren Jahren im Dienst
und, neben vielen anderen Funktionen im Kunst-
dienst der Stadt, mit dem inhaltlichen Aufbau

der Galerie beschäftigt ist, so konnte die Grund-
rißlösung und die Ausgestaltung des Bauwerks
nach der museumstechnischen Seite hin im
Einvernehmen zwischen Baukünsller und
Galeriedirektor erfolgen.

Es war von Anbeginn beabsichtigt, kein zu
großes, kein zu weitläufiges Haus zu bauen.
Daß man den aus den verschiedensten Kanälen
zugeflossenen, nicht ausschließlich nach Quali-
tätsgesichtspunkten erworbenen Kunslbesitz
der Stadt München nicht restlos in diesem Hause
werde unterbringen können.stand von Anbeginn
fest: man wollte es auch gar nicht. Deswegen
sollten aber nicht große Reihen von Bildern
schon vor der Eröffnung der Ausstellung zu
dauerndem Magazin-Dasein verdammt sein.
Es ist vielmehr in Aussicht genommen, die
aufgestellten \\ erke wiederholt zu wechseln,
neue Ensembles und dadurch neue Parallelen
und Überschneidungen zu schall en, fortdauernd
anregend zu wirken und die Galerie damit aus
der Starrheit, der die allen Museen so leicht
verfielen, in die Sphäre lebendigen Zusammen-
hangs mit allem, was lebenswert ist, zu bringen.
Zweifellos wird die gelegentliche Auswechslung
des gezeigten Bildmaterials auch auf den Be-
such der Galerie günstige Wirkung ausüben.
Daß man des gegebenen und weiterhin zu er-
wartenden Bildbeslands wegen den Galeriebau
nicht ins formatlich Übergroße ausdehnte, ist
überaus begrüßenswert. In unserer Zeit, die
weder für das Erschöpfende noch für das
Monumental-Dekorative oder für das bomba-
stische Beiwerk alter Galerien und Museen Sinn
und Meinung hat, ist allein ein Bau und eine
Sammlung kleinen Ausmaßes angemessen. Da-
für muß eine solche Sammlung in ihren Einzel-
stücken ungemein gewählt, kennerisch und ge-
nießerisch auserlesen sein — sie darf nicht
ermüden, sondern muß erfrischen; wenn man
die Sammlung verläßt, muß der Eindruck vor-
herrschen, als habe man jedes einzelne Bild, das
man gesehen, noch lebendig vor Augen. Bei
der Gemäldesammlung der Wallace-Kollektion
in London, bei der Gemäldegalerie des neu ge-
ordneten Kunstmuseums in Düsseldorf, bei der

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