kleine Gehirne, ihesenhaft verbündet, heute
der freien Kunst mit Wort und Meinungsbil-
dung Abbruch tun konnten, bis sich dann das
ungeschriebene große Sinngesetz der Kunst im
Gang der Zeil wieder unbesieglich durchsetzt.
In dieses Streites ungeschriebener Größe gegen-
über der logischen und mechanischen Ver-
kümmerung liegt die Bedeutung der Gegen-
wart und der Preis der Zukunft und nicht zu-
letzt auch das „Problem München". Die
geflissentliche Feindschaft gegen die freie Kunst,
die unsere Gegenwart kennt, wird dabei nicht
nur von einer sozial angewandten und formali-
sierten Kunstgewerblichkeit propagiert, welche
den schöpferischen Uberschuß nicht erträgt
und ihn wie einen Luxus betrachtet. Auch in
der freien Kunst selber gibt es eine Entwicklung,
die gegenüber der naturhaften und blutvollen
Rassigkeit etwa eines Corinth auf einen starren
Akademismus und auf eine zugleich empfind-
same und harte Sphäre neuer Gesellschafts-
bildkunst hinarbeitet. Die Zeit steht noch in
diesem Kampfe, man hat von hier aus Einflüsse
auf München versucht, die hier keine wahren
Wurzeln haben, und man sucht geflissentlich
eine andersartige deutsche Kunstentwicklung
in der augenblicklichen Schätzung herabzu-
drücken. Der naive Kunstfreund, wenn immer
er für das Blühende einer künstlerischen Akti-
vität aufgeschlossen ist, wie sie sich in der
Münchner Künstlerin Maria Caspar-filser
offenbart, weiß wenig von diesen kunstpoliti-
schen Gegensätzen. Aber man muß davon
sprechen, wenn es sich um die Feststellung des
zeitgenössischen Wesens eines Künstlertums
handelt, und gerade hier handelt es sich darum,
obgleich oder weil die Bilder dieser Frau so
voraussetzungslos aus dem aktiven Naturgefühl
der Zeit hervorgehen.
Landschaften, Stillehen, Blumenstücke, Zu-
standshilder mit Menschen im Freien und im
Interieur, was haben sie heute für einen künst-
lerischen Sinn? Man kann mit einer Frage
antworten: wie war es heute möglich, daß etwa
Corinths Walchenseebilder, Zufälle einer male-
rischen Verortung, sich als einer der wichtig-
sten künstlerischen Werte der Zeit festsetzen
konnten, daß die Malerei in diesen Bildern wie
durch Herzgefäße geht, aus denen die Zeit ihren
besten Pulsschlag her erfühlt? Auch Maria
Caspar-Filsers künstlerisches Schaffen lebt in
diesem gleichbeslimmenden Pulsschlag, der
mit der Anschauung ein Plus von Fühlung ver-
bindet. Sind es Zufälle, daß ihre Landschaften
in Schwaben, in Italien, in Oberbayern, am Meer,
am Bodensee,immer wieder zulelztin Schwaben
mit Park und freier Weite bei Baldern und
aber auch in München im Akademiegarten ent-
standen sind und das Merkmal von örtlichen
Daten haben? Es sind Zufälle oder nicht; das
Funktionelle der Kunst liegt nicht im Stoffe,
auch dann nicht, wenn nicht die „reine Land-
schaft", das reine „Ding an sich" gemalt wTird,
sondern ihre Differenz, ihre verortele Eigen-
art, welche gerade die rassig differente Eigen-
art im Künstler hervorruft. Die Kunst dieser
Frau ist ganz und gar rassig different. Und
während sich das Uniforme in unserer Zeit
bereits wieder aufzubeben scheint, ergreift das
Differente immer wiederund immer mehr Platz.
Man kann gerade bei dieser Frau die prinzi-
pielle Unterscheidung sohin aussprechen. Kunst
ist wie die Differenz der Natur selber und bei
ihrem Schaffen nun ist das Gefühl der freien
und weiten Möglichkeit dadurch prächtig.
Schmucksinn der Farbe ist Reichtum der Mög-
lichkeit, die nicht illustriert, sondern in der
Vielheit um so freier, mit dem Stoffe um so
unstoffiicher wird. Es ist wie ein Schaffen durch
Aufheben des Dinglichen. Die Landschaft ist
einfach wie ein Puls der Anschauung, eine
Fügung, die darin besteht, ein jahreszeitlicher
Uberschuß vom Beständigen, die Entwicklung
aus der langsameren Empfindung in den aktive-
ren Augenblick, ein Übergang aus der älteren
Stimmung in die neue Konkretion. Das ist
vielleicht der Sinn unserer Naturmalerei bei
den Besten, ein starker Fortgang in die große
Empfindung des naiven Zustandes, eine wert-
hafte Umsetzung in eine beständigere farbige
Korrespondenz gegenüber der mehr noch tech-
nischen Beweglichkeit des Impressionismus.
Während sich die bürgerliche und besonders
die soziale Tendenz trotz ihrer Hartnäckig-
keit der künstlerischen Behauptung immer
mehr ins kahl und eng Struktive, ins künstlich
Schöne oder ins willkürlich Verschärf te wendet,
rettet die Natur jenes Plus von Wesensempfin-
dung in der Zeit, das wie Zufälle, wie ein
Nebenbei erscheint,und das dann doch, wie es sich
bei van Gogh bewiesen hat, als mit dem Herzen
und mit der Wesenheit einer Zeit so zusammen
erkannt wird, wie das Rätsel einer fließenden
Schöpfung, in welcher jeder neue Zeitraum
zugleich augenblickhaft und beständig wird.
Es scheint heute eine paradoxe Schicksalsfrage
300
der freien Kunst mit Wort und Meinungsbil-
dung Abbruch tun konnten, bis sich dann das
ungeschriebene große Sinngesetz der Kunst im
Gang der Zeil wieder unbesieglich durchsetzt.
In dieses Streites ungeschriebener Größe gegen-
über der logischen und mechanischen Ver-
kümmerung liegt die Bedeutung der Gegen-
wart und der Preis der Zukunft und nicht zu-
letzt auch das „Problem München". Die
geflissentliche Feindschaft gegen die freie Kunst,
die unsere Gegenwart kennt, wird dabei nicht
nur von einer sozial angewandten und formali-
sierten Kunstgewerblichkeit propagiert, welche
den schöpferischen Uberschuß nicht erträgt
und ihn wie einen Luxus betrachtet. Auch in
der freien Kunst selber gibt es eine Entwicklung,
die gegenüber der naturhaften und blutvollen
Rassigkeit etwa eines Corinth auf einen starren
Akademismus und auf eine zugleich empfind-
same und harte Sphäre neuer Gesellschafts-
bildkunst hinarbeitet. Die Zeit steht noch in
diesem Kampfe, man hat von hier aus Einflüsse
auf München versucht, die hier keine wahren
Wurzeln haben, und man sucht geflissentlich
eine andersartige deutsche Kunstentwicklung
in der augenblicklichen Schätzung herabzu-
drücken. Der naive Kunstfreund, wenn immer
er für das Blühende einer künstlerischen Akti-
vität aufgeschlossen ist, wie sie sich in der
Münchner Künstlerin Maria Caspar-filser
offenbart, weiß wenig von diesen kunstpoliti-
schen Gegensätzen. Aber man muß davon
sprechen, wenn es sich um die Feststellung des
zeitgenössischen Wesens eines Künstlertums
handelt, und gerade hier handelt es sich darum,
obgleich oder weil die Bilder dieser Frau so
voraussetzungslos aus dem aktiven Naturgefühl
der Zeit hervorgehen.
Landschaften, Stillehen, Blumenstücke, Zu-
standshilder mit Menschen im Freien und im
Interieur, was haben sie heute für einen künst-
lerischen Sinn? Man kann mit einer Frage
antworten: wie war es heute möglich, daß etwa
Corinths Walchenseebilder, Zufälle einer male-
rischen Verortung, sich als einer der wichtig-
sten künstlerischen Werte der Zeit festsetzen
konnten, daß die Malerei in diesen Bildern wie
durch Herzgefäße geht, aus denen die Zeit ihren
besten Pulsschlag her erfühlt? Auch Maria
Caspar-Filsers künstlerisches Schaffen lebt in
diesem gleichbeslimmenden Pulsschlag, der
mit der Anschauung ein Plus von Fühlung ver-
bindet. Sind es Zufälle, daß ihre Landschaften
in Schwaben, in Italien, in Oberbayern, am Meer,
am Bodensee,immer wieder zulelztin Schwaben
mit Park und freier Weite bei Baldern und
aber auch in München im Akademiegarten ent-
standen sind und das Merkmal von örtlichen
Daten haben? Es sind Zufälle oder nicht; das
Funktionelle der Kunst liegt nicht im Stoffe,
auch dann nicht, wenn nicht die „reine Land-
schaft", das reine „Ding an sich" gemalt wTird,
sondern ihre Differenz, ihre verortele Eigen-
art, welche gerade die rassig differente Eigen-
art im Künstler hervorruft. Die Kunst dieser
Frau ist ganz und gar rassig different. Und
während sich das Uniforme in unserer Zeit
bereits wieder aufzubeben scheint, ergreift das
Differente immer wiederund immer mehr Platz.
Man kann gerade bei dieser Frau die prinzi-
pielle Unterscheidung sohin aussprechen. Kunst
ist wie die Differenz der Natur selber und bei
ihrem Schaffen nun ist das Gefühl der freien
und weiten Möglichkeit dadurch prächtig.
Schmucksinn der Farbe ist Reichtum der Mög-
lichkeit, die nicht illustriert, sondern in der
Vielheit um so freier, mit dem Stoffe um so
unstoffiicher wird. Es ist wie ein Schaffen durch
Aufheben des Dinglichen. Die Landschaft ist
einfach wie ein Puls der Anschauung, eine
Fügung, die darin besteht, ein jahreszeitlicher
Uberschuß vom Beständigen, die Entwicklung
aus der langsameren Empfindung in den aktive-
ren Augenblick, ein Übergang aus der älteren
Stimmung in die neue Konkretion. Das ist
vielleicht der Sinn unserer Naturmalerei bei
den Besten, ein starker Fortgang in die große
Empfindung des naiven Zustandes, eine wert-
hafte Umsetzung in eine beständigere farbige
Korrespondenz gegenüber der mehr noch tech-
nischen Beweglichkeit des Impressionismus.
Während sich die bürgerliche und besonders
die soziale Tendenz trotz ihrer Hartnäckig-
keit der künstlerischen Behauptung immer
mehr ins kahl und eng Struktive, ins künstlich
Schöne oder ins willkürlich Verschärf te wendet,
rettet die Natur jenes Plus von Wesensempfin-
dung in der Zeit, das wie Zufälle, wie ein
Nebenbei erscheint,und das dann doch, wie es sich
bei van Gogh bewiesen hat, als mit dem Herzen
und mit der Wesenheit einer Zeit so zusammen
erkannt wird, wie das Rätsel einer fließenden
Schöpfung, in welcher jeder neue Zeitraum
zugleich augenblickhaft und beständig wird.
Es scheint heute eine paradoxe Schicksalsfrage
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