und Lichtbedürfnisse der einzelnen Staluen viel
mehr Rücksicht genommen werden konnte.
Man hat es bewußt vermieden, der Ausstellung
aus Anlaß des Jubiläums etwa einen retrospek-
tiven oder auch nur konservativen Anstrich
zu geben. Im Gegenteil ist man sichtlich be-
müht gewesen, überall das Gegenwartbejahende
und Vorwärtsweisende zu betonen. So bietet
sich in der Tat ein interessanter Querschnitt
durch das gesamte gegenwärtige malerische
und plastische Schaffen in Deutschland. Die
Zeit, einen solchen Uberblick zu tun, scheint
übrigens heute besonders günstig. Denn wäh-
rend die Baukunst, aktiver als je, in stetem
Vorwärtsstürmen begriffen ist, sieht es fast
aus, als seien Malerei und Plastik, und ganz
besonders die Malerei, im Augenblick ein we-
nig stehen geblieben. Hoffen wir, daß es sich
nur um eine Ruhepause nach dem jähen Wech-
sel der letzten Jahrzehnte und nicht um ein
Einschlafen handelt.
Zur Ehrung des im vergangenen Winter ver-
storbenen Gründers leitet eine Gedächtnisaus-
stellung des Grafen Kalckreulh die Schau ein.
Bei aller Bewunderung, die wir diesen stillen
und ausgeglichenen Kunstwerken entgegen-
bringen, empfinden wir doch, daß dies nicht
mehr die Kunst unserer Zeit sein kann;
ebensowenig wie die letzten Ausläufer im-
pressionistischer Malerei, die verschiedene
Künstler darbieten. Doch erstaunlicher ist,
daß auch Meister, die noch vor kurzem als
Vertreter gegenwärtigster Malerei galten, uns
heute fast fremd und zeitfern erscheinen kön-
nen. Es ist da z.B. interessant, zu beobachten,
wie einige von den Künstlern des früheren
„Brücke"-Kreises sich bemühen, innerhalb
der selbstgezogenen Grenze neue Möglichkei-
ten der Bildrhythmisierung zu finden, ohne
uns zunächst von dem Erfolg dieser Anstren-
gungen recht überzeugen zu können. Inter-
essant ist auch der Weg, den Karl Hofer zu
nehmen scheint; im Grunde schreitet er so
fort, wie wir ihn längst kennen: das Dumpfe,
Maskenhafte menschlichen Zusammenlebens
in wenigen Figuren mit malerischer Kraft zu-
sammenballend; aber er kommt dabei neuer-
dings zu Lösungen, die den Versuchen der
Bauhauskünstler — Baumeister, Schlemmer —
überraschend verwandt sind. Hofer hat es na-
türlich nicht nötig, sich irgendwo Anregungen
zu holen; dieser Wechsel der künstlerischen
Auffassung, der Wille zu stärkster Typisierung
der Einzelform zugunsten einer innerlich ge-
schlossenen Gesamtgestaltung liegt eben in der
Luft und läßt keinen unberührt, der dem We-
sen der Zeit nachgeht.
Der Bedeutung entsprechend, die sie für das
deutsche Kunstschaffen zweifellos haben, hat
man den Künstlern des Bauhauses einen brei-
ten Platz eingeräumt. Wir finden Bilder von
Schlemmer, Baumeister. Feininger, Klee und
Kandinsky. Auch der in Paris arbeitende Rhein-
länder Max Ernst, dessen Bilder erst seit kur-
zem in Deutschland bekannt geworden sind,
wäre an dieser Stelle zu nennen. Man mag zu
diesen Arbeiten persönlich stehen, wie man
will. Man wird auf jeden Fall die allen diesen
Malern gemeinsame seltene Verbindung von
starker Phantastik mit konzessionslos aufge-
bauter ßildarchitektur beachten müssen.
Und wo bleibt die Neue Sachlichkeit? Nun, sie
ist erstaunlich—und erfreulich! — schnell in
der Versenkung verschwunden. Die Skeptiker,
die von ihrer Entwicklung einen kümmerli-
chen Ersatz der Photographie erwartet, haben
nicht recht behalten. Sie war offenbar nichts
weiter als Ubergang zu einer Kunst, die zwar
gegenständlich bleibt, dabei aber den ganzen
sinnlichen Reiz hat, der von jeher wichtigste
Eigenschaft aller Malerei gewesen ist. Dabei
ist eine deutliche Hinneigung zum Dekorati-
ven nicht zu verkennen. Es ist nicht möglich,
alle die Maler aus den verschiedenen Gegen-
den Deutschlands zu nennen, die unter diesen
Begriff fallen. Es sei darum neben schon be-
kannten Erscheinungen wie Richard Seewald,
Xaver Fuhr, George Grosz, Werner Heuser,
F. M. Jansen, Bernhard Kretzschmar, Otto
Lange, Hans Meid, Heinrich Nauen, Maria
Slavona, Emil Rudolf Weiss, Adolf Wuester
auf ein paar jüngere Begabungen hingewiesen,
die sich im Rahmen dieser Ausstellung als
vielversprechend zeigen.
Da ist vor allem der seit Jahren in Düsseldorf
arbeitende Pole Jankel Adler, dessen Bilder mit
Einzelfiguren bei feinster malerischer Empfin-
dung von starker monumentaler W irkung sind.
Da ist ferner Pol Cassel aus Wehlen (Sächsische
Schweiz), der „Tiere im Walde" und „Kakteen-
blüte" stark visionär gestaltet, mit jäh heraus-
leuchtenden Farben. Unter den jungen Düssel-
dorfern scheint Theo Champion recht begabt
zu sein; er zeigt zwei kleine, hellfarbige Land-
schaften. Eine interessante Erscheinung ist auch
C. P. Becker, dessen Doppelbildnis trotz einer
380
mehr Rücksicht genommen werden konnte.
Man hat es bewußt vermieden, der Ausstellung
aus Anlaß des Jubiläums etwa einen retrospek-
tiven oder auch nur konservativen Anstrich
zu geben. Im Gegenteil ist man sichtlich be-
müht gewesen, überall das Gegenwartbejahende
und Vorwärtsweisende zu betonen. So bietet
sich in der Tat ein interessanter Querschnitt
durch das gesamte gegenwärtige malerische
und plastische Schaffen in Deutschland. Die
Zeit, einen solchen Uberblick zu tun, scheint
übrigens heute besonders günstig. Denn wäh-
rend die Baukunst, aktiver als je, in stetem
Vorwärtsstürmen begriffen ist, sieht es fast
aus, als seien Malerei und Plastik, und ganz
besonders die Malerei, im Augenblick ein we-
nig stehen geblieben. Hoffen wir, daß es sich
nur um eine Ruhepause nach dem jähen Wech-
sel der letzten Jahrzehnte und nicht um ein
Einschlafen handelt.
Zur Ehrung des im vergangenen Winter ver-
storbenen Gründers leitet eine Gedächtnisaus-
stellung des Grafen Kalckreulh die Schau ein.
Bei aller Bewunderung, die wir diesen stillen
und ausgeglichenen Kunstwerken entgegen-
bringen, empfinden wir doch, daß dies nicht
mehr die Kunst unserer Zeit sein kann;
ebensowenig wie die letzten Ausläufer im-
pressionistischer Malerei, die verschiedene
Künstler darbieten. Doch erstaunlicher ist,
daß auch Meister, die noch vor kurzem als
Vertreter gegenwärtigster Malerei galten, uns
heute fast fremd und zeitfern erscheinen kön-
nen. Es ist da z.B. interessant, zu beobachten,
wie einige von den Künstlern des früheren
„Brücke"-Kreises sich bemühen, innerhalb
der selbstgezogenen Grenze neue Möglichkei-
ten der Bildrhythmisierung zu finden, ohne
uns zunächst von dem Erfolg dieser Anstren-
gungen recht überzeugen zu können. Inter-
essant ist auch der Weg, den Karl Hofer zu
nehmen scheint; im Grunde schreitet er so
fort, wie wir ihn längst kennen: das Dumpfe,
Maskenhafte menschlichen Zusammenlebens
in wenigen Figuren mit malerischer Kraft zu-
sammenballend; aber er kommt dabei neuer-
dings zu Lösungen, die den Versuchen der
Bauhauskünstler — Baumeister, Schlemmer —
überraschend verwandt sind. Hofer hat es na-
türlich nicht nötig, sich irgendwo Anregungen
zu holen; dieser Wechsel der künstlerischen
Auffassung, der Wille zu stärkster Typisierung
der Einzelform zugunsten einer innerlich ge-
schlossenen Gesamtgestaltung liegt eben in der
Luft und läßt keinen unberührt, der dem We-
sen der Zeit nachgeht.
Der Bedeutung entsprechend, die sie für das
deutsche Kunstschaffen zweifellos haben, hat
man den Künstlern des Bauhauses einen brei-
ten Platz eingeräumt. Wir finden Bilder von
Schlemmer, Baumeister. Feininger, Klee und
Kandinsky. Auch der in Paris arbeitende Rhein-
länder Max Ernst, dessen Bilder erst seit kur-
zem in Deutschland bekannt geworden sind,
wäre an dieser Stelle zu nennen. Man mag zu
diesen Arbeiten persönlich stehen, wie man
will. Man wird auf jeden Fall die allen diesen
Malern gemeinsame seltene Verbindung von
starker Phantastik mit konzessionslos aufge-
bauter ßildarchitektur beachten müssen.
Und wo bleibt die Neue Sachlichkeit? Nun, sie
ist erstaunlich—und erfreulich! — schnell in
der Versenkung verschwunden. Die Skeptiker,
die von ihrer Entwicklung einen kümmerli-
chen Ersatz der Photographie erwartet, haben
nicht recht behalten. Sie war offenbar nichts
weiter als Ubergang zu einer Kunst, die zwar
gegenständlich bleibt, dabei aber den ganzen
sinnlichen Reiz hat, der von jeher wichtigste
Eigenschaft aller Malerei gewesen ist. Dabei
ist eine deutliche Hinneigung zum Dekorati-
ven nicht zu verkennen. Es ist nicht möglich,
alle die Maler aus den verschiedenen Gegen-
den Deutschlands zu nennen, die unter diesen
Begriff fallen. Es sei darum neben schon be-
kannten Erscheinungen wie Richard Seewald,
Xaver Fuhr, George Grosz, Werner Heuser,
F. M. Jansen, Bernhard Kretzschmar, Otto
Lange, Hans Meid, Heinrich Nauen, Maria
Slavona, Emil Rudolf Weiss, Adolf Wuester
auf ein paar jüngere Begabungen hingewiesen,
die sich im Rahmen dieser Ausstellung als
vielversprechend zeigen.
Da ist vor allem der seit Jahren in Düsseldorf
arbeitende Pole Jankel Adler, dessen Bilder mit
Einzelfiguren bei feinster malerischer Empfin-
dung von starker monumentaler W irkung sind.
Da ist ferner Pol Cassel aus Wehlen (Sächsische
Schweiz), der „Tiere im Walde" und „Kakteen-
blüte" stark visionär gestaltet, mit jäh heraus-
leuchtenden Farben. Unter den jungen Düssel-
dorfern scheint Theo Champion recht begabt
zu sein; er zeigt zwei kleine, hellfarbige Land-
schaften. Eine interessante Erscheinung ist auch
C. P. Becker, dessen Doppelbildnis trotz einer
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