Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 47.1931-1932
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https://doi.org/10.11588/diglit.16479#0084
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Erler, Fritz: Aus: "Schlenderweil. Grillen eines Malers"
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FRITZ ERLER. KOPFSTUDIE
den., namentlich von denjenigen, welche aus
Amts- oder Reporterpflichten sich eingehend
mit ihnen beschäftigen mußten. Aber niemand
wagte dieser sakrosankten Gewohnheit den Wil-
len entgegenzusetzen., das System wirklich und
grundsätzlich zu ändern — bis das Publikum
streikte. In München wurde freilich nach dem
Brand des Glaspalastes sogleich eine neue Mas-
senausstellung eröffnet, in welcher durch die
notgedrungene Aufteilung der riesigen, ganz
gleichartigen Räume durch ungezählte, ebenfalls
ganz gleiche W ände oder Fächer der Charakter
eines W arenhauses besonders deutlich wurde.
Es fehlten nur noch die Rayonchefs für Stilleben,
Landschaften, Porträts, soziale Satire, Heiligen-
bilder, für Gips, Stein, Bronze, Porzellan. Die
Haupteinteilung: Konservative Kunst, Kunst
der Mitte und die eigentlichen Messenovitäten
und Pariser Modelle, ist bereits durchgeführt.
Dennoch wird man einstweilen weiter Kunst-
ausstellungspaläste planen wollen, vielleicht
gerade unter dem Druck der Armut, man wird
sogar von der moralischen und lokalpatrio-
tischen Verpflichtung dazu sprechen, um das
Baugeld zu sammeln und man wird zugunsten
der\ erkehrs vereine das Kunstwerk in der besten
Absicht durch massenhafte Aufreihung bagatelli-
sieren. Aber manche der Besten und Besinnlichen
werden sich, wenn sie können, zurückziehen,
um vielleicht wenige, aber leidenschaftliche
Freunde zu werben und dahin zu wirken, daß
nur alle vier Jahre eine große Münchner Olym-
piade stattfände, wo in modernen Gartenpavillons
ausgereifte Y\ erke aller Kulturnationen sich
sammeln würden zum seltenen Fest, und wo die
vertane Achtung vor der Persönlichkeit und der
Eigenart der Kunst wieder aufleben und zu Ehren
kommen könnte. \ielleicht war der Untergang
des Glaspalasts nur ein tiefer Einschnitt, wenn
auch ein materiell grausamer, ein deutlicher
Y\ ink, dessen höheren Sinn wir verstehen
Sollten. Fritz Erler
Kunst für Al!e, Jahrgf. 47, Heft 3, Dezember 1931
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den., namentlich von denjenigen, welche aus
Amts- oder Reporterpflichten sich eingehend
mit ihnen beschäftigen mußten. Aber niemand
wagte dieser sakrosankten Gewohnheit den Wil-
len entgegenzusetzen., das System wirklich und
grundsätzlich zu ändern — bis das Publikum
streikte. In München wurde freilich nach dem
Brand des Glaspalastes sogleich eine neue Mas-
senausstellung eröffnet, in welcher durch die
notgedrungene Aufteilung der riesigen, ganz
gleichartigen Räume durch ungezählte, ebenfalls
ganz gleiche W ände oder Fächer der Charakter
eines W arenhauses besonders deutlich wurde.
Es fehlten nur noch die Rayonchefs für Stilleben,
Landschaften, Porträts, soziale Satire, Heiligen-
bilder, für Gips, Stein, Bronze, Porzellan. Die
Haupteinteilung: Konservative Kunst, Kunst
der Mitte und die eigentlichen Messenovitäten
und Pariser Modelle, ist bereits durchgeführt.
Dennoch wird man einstweilen weiter Kunst-
ausstellungspaläste planen wollen, vielleicht
gerade unter dem Druck der Armut, man wird
sogar von der moralischen und lokalpatrio-
tischen Verpflichtung dazu sprechen, um das
Baugeld zu sammeln und man wird zugunsten
der\ erkehrs vereine das Kunstwerk in der besten
Absicht durch massenhafte Aufreihung bagatelli-
sieren. Aber manche der Besten und Besinnlichen
werden sich, wenn sie können, zurückziehen,
um vielleicht wenige, aber leidenschaftliche
Freunde zu werben und dahin zu wirken, daß
nur alle vier Jahre eine große Münchner Olym-
piade stattfände, wo in modernen Gartenpavillons
ausgereifte Y\ erke aller Kulturnationen sich
sammeln würden zum seltenen Fest, und wo die
vertane Achtung vor der Persönlichkeit und der
Eigenart der Kunst wieder aufleben und zu Ehren
kommen könnte. \ielleicht war der Untergang
des Glaspalasts nur ein tiefer Einschnitt, wenn
auch ein materiell grausamer, ein deutlicher
Y\ ink, dessen höheren Sinn wir verstehen
Sollten. Fritz Erler
Kunst für Al!e, Jahrgf. 47, Heft 3, Dezember 1931
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